Das größte polnische Carsharingunternehmen Panek begann mitten in der Coronakrise mit einer äußerst gewagten Offensive. Das Unternehmen expandierte bis Ende Mai in 176 Ortschaften, wovon 155 den Status einer Stadt haben. Dabei wurde mit den Vorteilen des Autofahrens im Vergleich zu den öffentlichen Verkehrsmitteln geworben.
„Viele Zugverbindungen sind immer noch ausgesetzt, Flugzeuge fliegen nicht, aber das Mobilitätsbedürfnis steigt. Dank CarSharing können Sie beispielsweise mehr einkaufen, in den Wald gehen, eine Person besuchen, die Ihre Hilfe benötigt, oder sich einfach ein wenig Freude am Fahren gönnen. Wir wissen, dass nicht jeder ein Auto hat, wir haben über 2.000, und wir tun alles, um sie so nützlich wie möglich zu machen“ sagte die Pressesprecherin des Unternehmens Katarzyna Panek.
Zu den 2.000 Fahrzeugen des Unternehmens gehören seit 2018 auch Elektroautos. Relativ ungewöhnlich für polnische Carsharer, die auf den BMW i3 und Nissan Leaf setzten, fiel damals die Entscheidung für den Smart Fortwo und den Smart EQ. Panek rechtfertigte die Anschaffung des Smarts EQ damit, dass er besonders für den Stadtverkehr geeignet sei und zudem Komfort bei der Parkplatzsuche biete. Den BMW i3 aber schloss das Unternehmen aus aufgrund des nach Aussage von Katarzyna Panek wenig praktikablen Türenschließens.
Im März dieses Jahres wurde dann der Nissan Leaf II eingeführt. Es folgte im Anschluss der Renault ZOE II. Das Highlight unter den E-Autos bei Panek ist der Jaguar I-PACE. Allerdings ist Panek hier nicht das erste Carsharingunternehmen, das sich in Polen für diesen Wagen entschieden hat. Das Unternehmen Innogy Go!, das ausschließlich elektrische Autos im Angebot hat, bot in Polen den Jaguar I-PACE für das Carsharing an.
Panek ist im Gegensatz zu z.B. Innogy Go! nicht explizit auf elektrische Autos ausgerichtet. Katarzyna Panek sagte den polnischen Medien, dass das Unternehmen lange überlegt hat, wie es mit dem Laden umgehen soll. Aktuell wird ein Bonusprogramm für Nutzer angeboten, die das Laden übernehmen. Sobald das Kabel an eine Ladestation angeschlossen wurde, soll das Kundencenter verständigt werden. Dann können Kunden je nach Landestand mit einem Bonus von 2,5- 5 Euro rechnen.
Die Zusammensetzung und die Anzahl der verfügbaren Autos werden je nach Stadt, Infrastruktur und Kundenwunsch ausgesucht. Als Beispiel kann hier die knapp 650.000 Einwohner umfassende Stadt Wrocław angeführt werden. In dieser Stadt hat kürzlich der wichtigste lokale Wettbewerber Vozilla seinen Dienst eingestellt, sodass Panek nun um so stärker bemüht ist, in der dynamisch wachsenden Stadt zu punkten. Für die Kunden standen hier im Februar 270 Autos zur Verfügung. Anfang des Jahres überwogen in Wrocław Hybrid-Autos, wie Toyota Yaris oder C-HR. Nach der aktuellen Marktoffensive sollen in Wrocław 300 Wagen angeboten werden. Die Aufstockung wird vor allem mit Elektroautos geschehen. Waren es bisher Smart EQ, werden jetzt auch Nissans Leaf und Renault ZOE ins Angebot aufgenommen.
Die Marktoffensive von Panek läutet u.a. eine neue Runde im Preiskampf auf dem stark umkämpften Carsharingmarkt ein. Carsharing wird aktuell noch mehrheitlich im Minutentakt über eine App abgerechnet. Wie andere Unternehmen bietet Panek Neukunden jetzt auch ein Anfangsguthaben von umgerechnet 5 Euro an. Die minutengenaue Bezahlung hat aber z.B. dem lokalen Anbieter aus Katowice GreenGoo schwer zugesetzt, sodass hier nur noch Tagespakete möglich sind. Bei der letzten Preisschlacht mussten schon Vozilla und Click2Go aus Poznań aufgeben. Für Panek dürfte daher in der Zukunft die Preisfrage entscheidend sein. Bei der Minutenabrechnung in den Tarifklassen S– XL sind die elektrischen Fahrzeuge nach Meinung vieler Nutzer zu teuer angesetzt. Während der Jaguar I-PACE aus nachvollziehbaren Gründen in einer Sondertarifkategorie eingeteilt wurde, findet sich der Smart EQ in der L-Tarifklasse. Die Nissan Leaf II und Renault ZOE II wurden in die XL Preisklasse gleich neben dem Mercedes GLA200 eingestuft.
In der Praxis kostet den Standardnutzer ohne Abo mit dem Smart EQ 0,20 Euro pro Minute und 0,20 Euro je Kilometer. Der Tagessatz beträgt hier umgerechnet 25 Euro zuzüglich 0,15 Euro je Kilometer. Für den Nissan Leaf II zahlt der Nutzer 0,24 Euro pro Minute und 0,20 Euro je Kilometer. Pro Tag fallen so knapp 50 Euro an zuzüglich 0,15 Euro je Kilometer. Der Jaguar I-PACE kann nur in der Minuten-/und Kilometeroption gebucht werden für jeweils 0,75/0,50 Euro.
Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań.