Der Strommix ist entscheidend, wie klimaneutral ein Elektroauto in Produktion und Fahrbetrieb ist. Zwar haben E-Autos schon heute einen mehr oder weniger deutlichen Klimavorteil gegenüber Verbrennern, so der Tenor aller entsprechenden Studien. Richtig „sauber“ sind E-Autos aber erst, wenn der Strommix zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht. So weit sind wir noch nicht, aber auf dem Weg dorthin gibt es stetig Fortschritte zu verzeichnen.
Trotz einer rekordverdächtigen Ausbaus mit 60 neuen Gigawatt Solarstrom im Jahr 2023 verzeichnete die Solarstromerzeugung in Europa im vergangenen Jahr einen bescheidenen Anstieg von etwa 20 Prozent. Dieses Jahr werde das ganz anders aussehen, so das unabhängige Energieberatungsunternehmen Rystad Energy aus Norwegen in einer aktuellen Mitteilung – vor allem dank Deutschland.
Rystad Energy prognostiziert, dass die Erzeugungskapazität von Photovoltaik in Europa im Jahr 2024 um etwa 50 Terawattstunden (TWh) steigen und zum ersten Mal stärker wachsen werde als jede andere Erzeugungsquelle. Deutschland werde den positiven Trend des Vorjahres fortführen und die Führung auf dem europäischen Solarenergiemarkt übernehmen und 2024 mehr Erzeugungs-Kapazität als jedes andere Land neu aufbauen. Darüber hinaus wird in diesem Jahr eine deutliche Verbesserung der Sonnenstrahlung erwartet, was eine Rückkehr zur Norm nach einer relativ schlechten Leistung im Vorjahr markiert.
Rekordverdächtiges Wachstum der Solarenergie
Bereits im Jahr 2023 erlebte Deutschland ein rekordverdächtiges Wachstum von mehr als 14 GW Solarleistung, annähernd eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Etwa 6,5 GW entfielen auf Solardächer im Wohnbereich, genug um gut 1,3 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen. Weitere 3,5 GW wurden auf Dachflächen im gewerblichen und industriellen Sektor installiert.
Rystad Energy erwartet im Jahr 2024 weiterhin starke Zuwächse aus erneuerbaren Energien, wobei die Solarenergie zum ersten Mal sowohl in Bezug auf Kapazität als auch auf Erzeugung führend sein soll. Da in ganz Europa zudem neue Windräder aufgebaut werden, erwartet das Energieberatungsunternehmen, dass auch die Erzeugung von Windkraft im Jahr 2024 steigen wird, um 38 TWh. Deutlich weniger als im Vorjahr, als die Windenergieproduktion dank zusätzlicher Anlagen und eines überdurchschnittlich windigen Jahres um 50 TWh anstieg, insbesondere im letzten Quartal. Die erwartete Leistungssteigerung für 2024 betrage jedoch nur etwa 25 GW, was weit weniger sei als das, was Europa benötigen würde, um seine ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele zu erreichen.
Stromerzeugung aus fossilen Quellen geht zurück
In Kombination mit einer stabileren Produktion aus Kernenergie vor allem aus Frankreich, erwartet Rystad Energy dennoch, dass die Nachfrage nach fossilen erzeugter Energie weiter abnehmen wird. Die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen soll im Jahr 2024 europaweit um gut 60 TWh zurückgehen.
„Da die Stromnachfrage in Europa nur geringfügig wächst, kommen wir zu dem Schluss, dass Europa sein Wachstum der Stromnachfrage vollständig mit erneuerbaren Quellen ausfüllt“, sagt Vegard Wiik Vollset, Leiter des Bereichs für erneuerbare Energien bei EMEA Research. Dies zeige, „dass das Wachstum der erneuerbaren Energie mehr als ausreicht, um die höhere Stromnachfrage zu decken, weshalb wir einen Rückgang der Nutzung fossiler Brennstoffe beobachten.“
Das Thema Stromerzeugung war zuletzt wieder stärker in den Fokus auch der Diskussionen rund um Elektroautos geraten, vor allem wegen einer Studie des VDI, in der die Klimabilanz von E-Autos deutlich schlechter ausgefallen war als in vielen anderen Studien – aber immer noch um einiges besser als jene von Verbrennern.
Der VDI hatte in seiner Untersuchung mit Marginalstrom gerechnet, anstatt wie der Großteil anderer Studien mit dem realen Strommix: Dabei geht man vereinfacht ausgedrückt davon aus, dass jeder zusätzliche Verbraucher, also auch jedes neue Elektroauto, nur dann mit Strom versorgt werden kann, wenn man fossil betriebene Kraftwerke eigens dafür länger am Leben hält. Kurz: Der VDI geht davon aus, dass jedes Elektron, das in der Batterie eines Elektroautos landet, letztendlich aus einem fossilen Kraftwerk stammt – und hat im Anschluss an die Veröffentlichung viel Kritik für diesen Ansatz einstecken müssen. Die Untersuchung von Rystad Energy zeigt einmal mehr, dass dieser Ansatz auch nicht der Realität entspricht.
Quelle: Rystad Energy – Pressemitteilung vom 05.02.2024