Den Test- und Fahrbericht des KIA e-NIRO zum Anlass genommen, hat mir Karsten geschrieben, ob den Interesse besteht, dass auch er seine Erfahrungen mit dem elektrifizierten Crossover aus dem Hause KIA mit euch teilt. Aus unserer Sicht eine tolle Idee, weshalb ihr nachfolgend seine Eindrücke und Erfahrungen aus dem Alltag mit dem KIA e-Niro nachlesen könnt. Bevor er auf diese eingeht verliert er ein paar Worte zur Rahmenbedingung des Einsatzes des e-Niro in deren Alltag.
Auch ich fahre eine e-Niro (64KW Akku mit 204 PS Ausstattung Spirit). Es war ein Vorführwagen welcher im April 2019 in Deutschland zugelassen wurde und nun seit Oktober 2019 unser Hauptfahrzeug (Familie mit zwei Kindern) ist. Im Vorfeld haben wir in unserer Immobilie die Infrastruktur geschaffen. Im Wesentlichen eine PV-Anlage mit 14,4 KW (Ost-, Süd- und Westseite), sowie einem Hauskraftwerk von E3DC (Pro Serie) und zwei Wallboxen, welche stationär verbaut sind. Ergänzt wird dieses durch einen Juche Booster2 für weitere Reisen. Der KIA e-Niro ist für 36 Monate geleast und wird pro Jahr ca. 55.000 KM fahren. Die Bereifung wurde gegen MICHELIN 215/55 R17 98W Cross Climate+ XL getauscht (Ganzjahresreifen).
Licht und Schatten beim KIA e-Niro
Der e-Niro ist ein durch und durch durchdachtes Auto, welches sehr viele Stärken und einige wenige Schwächen aufweist. Ich möchte mit den mit auffallendsten Stärken beginnen: Das Platzangebot ist für eine Familie mit zwei Kindern absolut ausreichend. Sowohl das Beschleunigungsverhalten sorgt immer wieder für ein breites Grinsen, als auch die Soundanlage, welche für ein Fahrzeug dieser Klasse mit einer der Besten ist, welche ich bisher gehört habe.
Der Aufbau der Instrumente und deren Bedienung ist intuitiv, so dass auf die Lektüre der umfangreichen Dokumentation weitestgehend verzichtet werden kann. Die Sitze in der ersten Reihe bieten einen sehr hohen Fahrkomfort und lassen sich angenehm temperieren.
Reichweite im Alltag & Rekuperation
Die Reichenweitenangabe ist im ECO Modus, bei etwas zurückhaltender Fahrweise, absolut ehrlich und Reicht bei meiner täglichen Fahrt zur Arbeit (90 km eine Richtung, davon ca. 55 km Autobahn). Hier ist jedoch zu erwähnen, dass der Energieverbrauch bedingt durch die Witterungsverhältnisse deutlich schwanken kann. So ist meine bisherige Erfahrung, dass ich bei trockener Fahrbahn und Temperaturen oberhalb von 8°C ca. 17 kW pro 100 km verbrauche. Sinkt die Temperatur unterhalb der 8°C, steigt der Verbrauch auf ca. 20 kW pro 100 km an. Kommt noch eine Nasse Fahrbahn hinzu, sind es ca. 23 kW pro 100 km. Mein bisheriger gemittelter Verbrauch der ersten 10.000 km liegt bei 18,6 kW pro 100 km.
Das Rekuperieren ist eine deutliche Unterstützung im täglichem Fahrbetrieb. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist die Nutzung des Bremspedals eher eine Seltenheit. Die LED Scheinwerfer sind ein klarer Sicherheitsgewinn, welcher sich in der dunklen Jahreszeit deutlich bemerkbar macht und werden durch einen einfachen Fernlichtassistenten unterstützt. Sollten die Scheiben im Winter mal angefroren sein, ist ein Kratzen nicht mehr notwendig. In ca. einer Minute ist das Fahrzeug aufgetaut. Hierfür reduziert sich die Restreichweite um ca. 3 km, welches für mich absolut in Ordnung ist.
Familienurlaub – kein Problem!
Unser erster Familienurlaub führte uns nach Holland, wo wir 1.300 km problemfrei zurücklegten. Der KIA e-Niro fällt in vielerlei Hinsicht positiv auf und ist bei Ladestopps an öffentlichen Ladesäulen immer wieder positives Gesprächsthema, da er noch ein Exot auf deutschen Straßen ist. Wahlweise ist man hier noch geräuschlos unterwegs, was aus meiner Sicht ein weiterer deutlicher Vorteil beim morgendlichen Start ist.
Verbesserungspotenzial des KIA e-Niro beim Laden
Leider lädt der KIA e-Niro im AC Bereich nur einphasig. An einer privaten Wallbox sind hier aufgrund der in Deutschland geltenden Schieflastverordnung jedoch nur 20 Ampere möglich, welches ca. 4.400 Watt entspricht. Die Ladezeit an der heimischen Wallbox verlängert sich hier entsprechend. Abhilfe schafft nur das Laden an einer CCS Ladestation, einer öffentlichen AC Ladestation, welche der Schieflastbestimmung nicht unterliegt (dann sind ca. 7,2 kWh Ladeleistung möglich) oder der Einsatz einer mobilen Wallbox, mit Phasenausgleich.
Leider ist die Ladebuchse des e-Niro nicht von bester Qualität. Bei mir sind nach wenigen Ladevorgängen beide Schutzkappen der Pole des CCS Anschlusses abgefallen. Die Ersatzteileversorgung bei KIA ist leider noch sehr lückenhaft und einige Teile werden noch nicht als Ersatzteile gelistet, welches zu sehr langen, oder nicht möglichen Lieferzeiten führt. Auch das anfängliche zuverlässige Laden an einem CCS Lader war bis Ende November 2019 ein reines Glücksspiel. So wurde ich auf einer Fahrt von Bremen Richtung Kassel bei fünf CCS Ladern mit der Fehlermeldung „Kommunikationsfehler, bitte prüfen Sie, ob die Zündung ausgeschaltet ist…“ abgewiesen, nachdem ca. 13 Sekunden nach Aktivierung des Ladevorganges verstrichen waren. Die heimische Wallbox erreichte ich dann mit 2% Restkapazität.
Das Auffinden des Fehlers gestaltete sich dann etwas komplizierter. Die technische Hotline von KIA ist leider für den Endkunden nicht zu erreichen. Auch der Vertragshändler war mit dem Anliegen überfordert. Der Ladesäulenbetreiber konnte ebenfalls nicht helfen, da er die Problematik nicht kannte. Erst der Hardwarelieferant der Ladesäulen die Fa. ABB konnte dann weiterhelfen. Die Ursache lag im CCS Protokoll, welches noch nicht final genormt war.
Inzwischen wird deutschlandweit im Rahmen eines Rollout ein Softwareupdate auf die Ladesäulen aufgespielt sowohl KIA als auch ABB und der Vertragshändler sprechen miteinander. Gelegentlich bricht der Ladevorgang noch bei 51% ab. Aber auch daran wird bereits gearbeitet.
Die Programmierung der Startzeit (z.B. Abfahrt für 6:00 Uhr morgens), führt dazu, dass ein Ladevorgang zeitlich davor (z.B. um 16 Uhr des Vortages) nicht möglich ist. Hierzu muss die Programmierung händisch deaktiviert werden. Dieses ist ungünstig gelöst, da wenn dieses vergessen wird, ein Zwischenladen nicht möglich ist.
Ersatzteile, Einklemmschutz und andere Kinderkrankheiten
Auf der Autobahn wurde die Streuscheibe eines Frontscheinwerfer beschädigt. Hier kommt nun ein weiterer Punkt zum Tragen, welcher überdacht werden sollte. Es gibt die Streuscheibe, welche aus Kunststoff besteht, nicht einzeln zum Kaufen. Ein Austausch des LED Frontscheinwerfers kostet bei KIA 900 Euro ohne Einbau. Der Serviceintervall ist mit 15.000 km aus meiner Sicht deutlich zu eng bemessen. Hier sollte KIA dringend nachbessern und mit der Zeit gehen.
Die Scheiben im Fond haben keinen Einklemmschutz. Dieses ist insbesondere mit Kindern ein echtes Risiko. Auch hier sollte KIA einem Fahrzeug in dieser Preisklasse nicht am falschen Ende sparen. Auch ist das Nutzen von Kindersitzen für Kinder, welche den Sicherheitsgurt des Fahrzeuges durch den Kindersitz (Maxi Cosi 15– 36 kg) nutzt, leider nicht möglich. Dieses liegt schlicht daran, dass die Gurtzuführung des e-Niro in einem sehr steilen Winkel in die Gurthalterung der Kindersitze eingeführt wird. Hierbei ist ein Auf- und Abwickeln des Gurtes nicht möglich, so dass die Kindersitze nicht eigenständig durch die Kinder genutzt werden können. Die Sitzheizung im Fond beheizt leider nur die untere Sitzfläche, jedoch nicht den Rücken. Dieses sollte verbessert werde, zumal die Warmluftzufuhr im Fond etwas schwächer ist.
Das kontaktlose Laden eines Handy (Samsung S6 Edge) ist nur bedingt möglich. Dieses liegt darin begründet, dass die Ladevorrichtung nicht aktiv gekühlt ist. Das Handy wird hierbei so heiß, dass der Ladevorgang immer wieder unterbrochen wird um dem Handyakku zu schützen. Weiterhin ist es nicht möglich sich eingehende SMS-Nachrichten am Bildschirm des e-Niro anzusehen oder vorlesen zu lassen. Das nachfolgende System, welches im Sommer 2020 in den e-Niro kommen soll, kann dieses (im e Soul geht dieses bereits, den hatte ich für mehrere Wochen als Leihwagen).
Die Heckkamera neigt bei nasser Fahrbahn dazu, schnell zu verschmutzen. Eine regelmäßige Reinigung ist daher erforderlich. Hier sollte KIA sich ein Beispiel bei Mercedes nehmen, welche die Kamera geschützt in einer Schublade verschwinden lassen.
Fazit: Erfahrungen mit dem e-Niro
Die Entscheidung für den KIA e-Niro war auch rückblickend die Richtige. Schön wäre es, wenn KIA ein paar kleinere Schwächen abstellt. Es ist ein Fahrzeug welches sich angenehm fahren lässt und in allen Situationen ausreichende Reserven bereithält.