energate hat zum Interview geladen und sich in diesem mit Marie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Henning Kagermann, Vorsitzender des Lenkungskreises der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), über attraktive E-Modelle, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine Batteriezellfertigung in Deutschland unterhalten.
Elektro-Modellvielfalt fehlt aktuell in der Praxis noch
Den Einstieg in die Diskussion finden die Gesprächsteilnehmer über die bisher fehlende Auswahl an leistungsfähigen E-Transporter. Aus Sicht von Wolff hängt der Verkehrssektor weiter hinterher, da es an attraktiven E-Modellen fehlt. Aus eigener Erfahrung weiß sie zu berichten: “Alle Energieversorger haben große Transporterflotten und würden gern umsteigen, aber es gibt bisher keine leistungsfähigen E-Transporter”. Als Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers Entega setzt sie darauf, dass die Auswahl an E-Modellen weiter wächst und die verschärften europäischen Abgasvorgaben für Neuwagen für das Jahr 2030 dafür sorgen, dass das Innovationstempo der Autobranche steigt.
Der langjährige SAP-Vorstand und nun Vorsitzender des Lenkungskreises NPM Kagermann ist allerdings der Meinung, dass es nun wohl eher an der Zeit wäre, dass die Preise sinken. “Ich hoffe, dass wir bis 2025 eine Kostenparität von herkömmlichen und E-Fahrzeugen erreichen”, so Kagermann weiter. Aber sowohl er, als auch Wolff sehen die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität weiter zu verbessern.
Umschichtung der Fördermittel vom Umweltbonus in Ladeinfrastruktur
Von den E-Modellen weg, hin zur Ladeinfrastruktur. Hier ist Kagermann sicher, dass das geltende Recht mehr bremse, als beschleunige. Er verwies im Gespräch mit energate auf das bereits seit drei Jahren geltende Elektromobilitätsgesetz, das Städten das Einführen von eigenen Parkflächen oder Spuren für E-Fahrzeuge ermöglicht. Aus seiner Sicht setzen “95 Prozent der Kommunen das aber noch nicht um”.
Auch für Wolff ist das Thema Ladeinfrastruktur ein Punkt, der zur Diskussion steht. Aus ihrer Sicht und mit Blick auf die Mitglieder des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gibt sie zu verstehen, dass die Energiebranche in den vergangenen Jahren in Vorleistung gegangen sei, beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Künftig aber nicht einfach nur noch Ladesäulen aufgebaut werden können, in der Hoffnung, dass ein E-Auto daran lädt.
In Zukunft brauche die Branche belastbare Angaben. Wolff sieht zudem die Umschichtung der Fördermittel aus dem Umweltbonus in Richtung Ladeinfrastruktur als Möglichkeit, die Ladeinfrastruktur in Deutschland weiter auszubauen.
Schon mehrfach haben sich Autoexperten deshalb dafür ausgesprochen, die Fördermittel – wenigstens zum Teil – anderweitig zu verwenden. Etwa in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, die vor allem Abseits der großen Städte noch große Lücken aufweist. Unter den Befürwortern der Umwidmung war unter anderem Andreas Obersteller, Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, in dessen Haus die Abwicklung der Umweltprämie erfolgt.
Eine Analyse des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen unterstreicht die Argumente von Wolff, dass die Ladeinfrastruktur in Deutschland noch lange nicht auf eine große Zahl Elektroautos vorbereitet ist. Vielmehr sei die deutsche Ladesäulen-Infrastruktur für Elektroautos „eine Wüste“. Im September 2018 zeigt sich, dass der staatlich geförderte Ausbau von Ladesäulen für Elektroautos nur schleppend vorangeht.
Batteriezellfertigung in Europa durchaus erstrebenswert
Sowohl Kagermann, als auch Wolff sehen die Pläne einer europäischen Batteriezellfertigung als positiv an. Insbesondere die Abhängigkeit von asiatischen Zelllieferanten spiele hierbei eine entscheidende Rolle. Daher findet Wolff “es richtig, wenn man dies mit einem großen Konsortium noch einmal angeht”. Kagermann verwies zwar auf die zweistelligen Milliardenbeträge, die für Bau und Unterhalt einer Zellproduktion notwendig seien. Aber es könne strategisch sinnvoll, die Abhängigkeit von anderen Herstellern zu reduzieren.
Erst Ende Dezember wurde bekannt, dass die beiden Nachbarländer Deutschland und Frankreich künftig Hand in Hand gehen wollen, wenn es darum geht die Produktion von Batteriezellen in Europa gemeinsam voranzubringen. Hierzu hat man bereits zu Beginn der Woche eine gemeinsame Erklärung auf den Weg gebracht, welche die Batterietechnologie als Schlüsselfaktor „in mehreren wichtigen Bereichen der industriellen Wertschöpfung“ ansieht. Hierbei wird insbesondere die Elektrifizierung von Verkehrssystemen und der Speicherung erneuerbarer Energien hervorgehoben.
Mitte November wurde bereits bekannt, dass die deutsche Bundesregierung bis zum Jahr 2021 eine Milliarde Euro für die Herstellung von Batteriezellen für Elektroautos bereitstellen will. Das Geld stammt aus einem Fördertopf des Wirtschaftsministeriums, wie Bundesminister Peter Altmaier, der die Akkus ebenfalls als „Schlüsseltechnologie“ bezeichnete, nach einem Treffen mit EU-Kommissar Maros Sefcovic verkündete.
Quelle: energate-messenger.de – Wolff: “Wir können nicht ins Blaue hinein Ladesäulen bauen”