Der BYD Seal fährt bei jedem Spiel der Fußball-Europameisterschaft durch das Bild. Das Mittelklasse-SUV überzeugt als Plug-in-Hybrid bei der Reichweite und der Ausstattung.
BYD hat eine beeindruckende Transformation vollzogen. Vor 29 Jahren startete der chinesische Konzern als Batterieproduzent, erst 2003 kam die Automobilsparte hinzu. Einige Zeit lang beobachtete BYD die westlichen Autobauer, nahm deren Fahrzeuge unter die Lupe und lernte, ohne dabei die Grundkompetenz bei den Energiespeichern zu vernachlässigen.
Eine Strategie mit Weitblick: Im Zeitalter der Elektromobilität ist die Batterie das wichtigste Bauteil eines Autos, also sind die Chinesen mit ihren Klingen-Akkus (Blade Batteries; da die Zellen die Form einer Messerklinge haben) jetzt für den großen Erfolg gerüstet. Im vergangenen Jahr hat der Autobauer aus Shenzhen über drei Millionen Autos verkauft, davon knapp 1,6 Millionen reinrassige Stromer und gut 1,4 Millionen Plug-in-Hybride.
Die Vielseitigkeit des Seal U DM-I
Wer BYD auf die batterieelektrischen Modelle reduziert, erzählt im Grunde aber nur die halbe Geschichte. Da die Chinesen schnelle und eifrige Lerner sind, reagieren sie mit dem Seal U DM-I auf die Flaute bei den Elektroautos. Das Motto lautet: Das eine tun, ohne das andere zu lassen. In die Sprache der Elektromobilität übersetzt, bedeutet das: Plug-in-Hybrid.
Aber auch da macht die Truppe aus Shenzhen keine halben Sachen und packt dem 4,77 Meter langen SUV eine Batterie mit einer Kapazität von 18,3 Kilowattstunden in die Karosserie, was für eine rein elektrische Reichweite von 70 Kilometern reicht. Nicht besonders beeindruckend, aber immer noch gut genug für die meisten täglichen Fahrten. Gemeinsam mit dem Vierzylinder Benziner und der Tatsache, dass mit 60 Litern ein stattlicher Benzintank an Bord ist, kommt man mit dem Vehikel 1080 Kilometer weit. Hat hier jemand Reichweitenangst gesagt? BYD beeilt sich nachzuschieben, dass Ende dieses Jahres die Batterien auf 26,6 kWh wachsen werden. Dann sollten elektrisch die 100-km- und kombiniert die 1100 km-Marke fallen. Klingt prächtig.
Beim Laden fällt der BYD ab: Beim AC-Laden sind die 11 kW ja noch akzeptabel, aber die 18 kW an einer DC-Ladesäule sind fast schon jämmerlich. So sind die Akkus an einer Wallbox in zwei Stunden von 15 auf 100 Prozent gefüllt. An einem Schnellader vergehen 35 Minuten, um den Ladestand von 35 auf 80 Prozent zu heben. Immerhin lassen sich die Batterien per Vehicle-to-Load (V2L) auch als Energiequelle für elektrische Geräte nutzen.
Die Frage ist nur, wie man diese Strecke absolviert. Am Antrieb gibt es nicht viel zu mäkeln. Ein Vierzylinder-Verbrennungsmotor mit 96 kW / 131 PS wird mit zwei Elektromotoren kombiniert, die vorn 150 kW / 204 PS und hinten 120 kW / 163 PS beisteuern. Macht zusammen 238 kW / 324 PS und ein maximales Drehmoment von 550 Newtonmetern. Klingt bei einem Fahrzeuggewicht von 2100 Kilogramm ganz ordentlich. Ist es auch, aber den ganz großen Hammer packt der BYD Seal U DM-I trotz einer beachtlichen Null-auf-Hundert-Zeit von 5,9 Sekunden nicht aus. Das muss das Mittelklasse-SUV aber auch gar nicht. Es geht nicht um das pure Tempobolzen, sondern um ein möglichst kommodes und angenehmes Vorankommen. Zumal man dabei durchaus flott unterwegs ist.
Dass die Elektronik bei 180 km/h einbremst, wen stört das heute noch? Das selbstauferlegte Tempolimit ergibt mehr Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass auch beim Plug-in-Hybrid grundsätzlich der Elektromotor das Kommando hat und der Verbrenner nur bei Bedarf an der Verlosung teilnimmt und dies bei schnellen Sprints oder jenseits einer Geschwindigkeit von 150 km/h auch brummend kundtut. Bis auf die akustische Bekanntmachung läuft das Zusammenspiel zwischen den Antriebskonzepten geschmeidig ab. So kann der Fahrer auch manuell den rein elektrischen Betrieb für die Innenstädte oder mit HEV dem System die Entscheidung überlassen, welche Kombination die passende ist.
Normverbrauch fernab der Realität
Der Normverbrauch von 1,2 l/100 km ist natürlich illusorisch, bei uns meldete das System 4,4 l/100 km und 7,9 kWh/100 km. Also ist der BYD Seal U DM-I kein Schluckspecht. Allerdings waren die Akkus beim Start der Testfahrt nur teilweise geladen. Das Fahrwerk ist komfortabel, aber nicht butterweich abgestimmt ist und die Lenkung verrichtet ihre Arbeit ordentlich. Dass sie sich etwas synthetisch anfühlt, muss man bei einem chinesischen Auto des Jahres 2024 wohl in Kauf nehmen. Dafür ist die Bremse griffiger und exakter dosierbar als das etwa im vollelektrischen BYD Tang der Fall ist. Wie bei einem Allrad-SUV üblich, gibt es neben den üblichen drei Fahrmodi Eco, Normal und Sportlich mit schlammig (muddy) und Schnee (Snowfield) zwei weitere. Wobei die englische Namensgebung schon interessant ist.
Im BYD Seal lässt es sich jedenfalls gut reisen. Die Sitze sind bequem und der Innenraum verströmt einen gemütlichen Flair. Dass die Chinesen trotz des großen 15,6-Zoll Monitors, der auf sich auf Knopfdruck um 90 Grad dreht, auch noch analoge Bedienelemente im Lenkradkranz und der Mittelkonsole haben, empfinden wir als hilfreich. Zumal sich die Drehknöpfe mit der geriffelten Oberfläche gut anfühlen. Die Bedienung gibt keine großen Rätsel auf. Wer dennoch auf sein Smartphone setzt, kann dieses per Apple CarPlay oder Android Auto in das Infotainment einbinden.
Bei den Assistenzsystemen bleiben ohnehin fast keine Wünsche offen. Selbst in der 160 kW / 218 PS starken Boost-Version mit Frontantrieb, die 39.800 Euro kostet, sind unter anderem ein adaptiver Tempomat, eine 360-Grad-Kamera, ein Notbremssystem und ein Spurhalteassistent an Bord. Für die getestete Design-Variante legt man 44.500 Euro auf den Tisch. Dafür gibt es auch den stärkeren Allradantrieb und mehr Fahrmodi.