Nach einer Produktionsunterbrechung an weltweit fast 100 Bosch-Standorten im laufenden Monat bereitet sich der Multikonzern systematisch auf den schrittweisen Hochlauf der Fertigung vor. „Mit einer verlässlichen Zulieferung wollen wir die langsam wieder steigende Nachfrage unserer Kunden bedienen und zu einer möglichst raschen Erholung der Weltwirtschaft beitragen,“ sagte Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, anlässlich der Bilanzpressekonferenz. Ziel sei „ein synchronisierter Hochlauf der Fertigung und die Sicherung der Lieferketten insbesondere in der Automobilproduktion.“ In China sei dies bereits gelungen: „Unsere rund 40 Werke vor Ort produzieren wieder und die Lieferketten sind stabil. In den übrigen Regionen arbeiten wir mit Hochdruck daran,“ so Denner weiter.
Für einen erfolgreichen Produktionsstart ergreift das Unternehmen laut Denner zahlreiche Maßnahmen, um einen angemessenen Schutz der Beschäftigten vor Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus sicherzustellen. Zudem setzt Bosch auf ein koordiniertes, gemeinsames Vorgehen mit Kunden, Lieferanten, Behörden und Arbeitnehmervertretern.
Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie
„Wo immer möglich, wollen wir unser Know-how in die Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie einbringen, etwa mit unserem neu entwickelten Covid-19-Schnelltest und unserem Analysegerät Vivalytic“, sagte der Bosch-Chef. „Die Nachfrage ist sehr groß. Wir tun alles, um die Produktion deutlich zu steigern und werden sie gegenüber den bisherigen Planungen bis Jahresende verfünffachen“, so Denner. Bosch will 2020 mehr als eine Million Schnelltests produzieren, im nächsten Jahr sollen es drei Millionen sein. Das Analysegerät Vivalytic soll ergänzend zu den bisherigen Labortests zunächst in Krankenhäusern und Arztpraxen und dort vor allem zum Schutz des medizinischen Personals eingesetzt werden, für das die rasche Verfügbarkeit der Testergebnisse in weniger als zweieinhalb Stunden entscheidend ist.
Ausgeliefert werde der Schnelltest bereits in Europa, er könne im Status „research use only“ nach einer Validierung eingesetzt werden. Eine europaweite CE-Kennzeichnung erwartet Bosch bis Ende Mai. Ein noch schnellerer Test, der in weniger als 45 Minuten eine COVID-19-Erkrankung verlässlich ermitteln kann, befinde sich in der Endphase der Entwicklung. „Was wir hier schaffen, folgt ganz unserem Leitmotiv Technik fürs Leben“, so Denner.
Bosch hat bereits die Fertigung von Mund- und Nasenmasken aufgenommen. Schon jetzt stellen 13 Bosch-Werke in neun Ländern, von Bari in Italien über Bursa in der Türkei bis hin zu Anderson in den USA, in Eigeninitiative solche Masken für ihren lokalen Bedarf her. Darüber hinaus baut das Unternehmen derzeit zwei vollautomatische Fertigungslinien am Standort Stuttgart-Feuerbach auf – weitere Linien folgen in Erbach (Odenwald) sowie in Indien und Mexiko. „Unser Sondermaschinenbau hat binnen weniger Wochen eine entsprechende Anlage konzipiert“, sagte Denner. Die Konstruktionspläne habe Bosch auch anderen Unternehmen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Insgesamt können pro Tag mehr als 500.000 Masken produziert werden. Die Masken sollen dem Schutz der Bosch-Mitarbeiter in den Werken weltweit dienen. Darüber hinaus sollen sie auch extern verfügbar gemacht werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende länderspezifische Zulassung. Zudem stelle Bosch wöchentlich 5000 Liter Desinfektionsmittel in Deutschland und in den USA her, um seine Mitarbeiter in amerikanischen und europäischen Werken zu versorgen.
Entwicklung Weltwirtschaft 2020: Rezession belastet Ausblick
Mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr und die Corona-Pandemie rechnet Bosch mit erheblichen Herausforderungen für die Weltwirtschaft: „Wir stellen uns auf eine globale Rezession ein, die auch unsere Geschäftsentwicklung 2020 deutlich belasten wird“, sagte Prof. Dr. Stefan Asenkerschbaumer, Finanzchef und Stellvertretender Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung. Bei der Automobilproduktion rechnet Bosch aktuell für 2020 auf Basis der bislang bekannten Effekte mit einem Minus von mindestens 20 Prozent. Im ersten Quartal dieses Jahres fiel der Umsatz der Bosch-Gruppe um 7,3 Prozent und lag damit deutlich unter dem Vorjahresniveau. Alleine im März 2020 betrug der Rückgang 17 Prozent. Für das Gesamtjahr machte das Unternehmen angesichts der erheblichen Unsicherheiten keine Prognose. „Es bedarf größter Anstrengungen, um zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen“, so der Finanzchef. In dieser tiefen Krise sei erneut die breite Aufstellung des Konzerns mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen ein Vorteil.
Aktuell stehen umfangreiche Maßnahmen zur Kostenreduzierung und Liquiditätssicherung im Mittelpunkt. Dazu gehören die laufenden Arbeitszeitverkürzungen und Produktionseinschränkungen an vielen Standorten weltweit, ein Gehaltsverzicht bei Fach- und Führungskräften einschließlich der Geschäftsführung sowie die zeitliche Streckung von Investitionen. Darüber hinaus habe Bosch bereits zum Jahresbeginn 2020 ein umfassendes Programm zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aufgelegt. „Unser Ziel ist die mittelfristige Rückkehr zu einer operativen Rendite von rund 7 Prozent, ohne die wesentlichen Zukunftsaufgaben zu vernachlässigen“, so Asenkerschbaumer. „Daran arbeiten wir, neben der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie, mit allem Nachdruck. Denn damit schaffen wir das finanzielle Fundament, um die großen Zukunftschancen der Bosch-Gruppe zu nutzen.“
Klimaschutz: Bosch verfolgt konsequent ehrgeizige Ziele
Trotz der aktuell herausfordernden Situation hält Bosch seinen langfristigen, strategischen Kurs: Das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen verfolge weiterhin konsequent ehrgeizige Klimaschutz-Ziele und entfaltet entsprechende Aktivitäten zum Ausbau nachhaltiger Mobilität. „Wenngleich andere Themen gegenwärtig im Fokus stehen, dürfen wir die Zukunft unseres Planeten nicht aus dem Blick verlieren“, sagte Denner.
Bosch kündigte vor knapp einem Jahr an bereits Ende 2020 weltweit an allen 400 Standorten klimaneutral zu werden. „Dieses Ziel werden wir erreichen“, sagte Denner. „Seit Ende 2019 sind bereits alle Standorte in Deutschland CO2-neutral, weltweit haben wir Stand heute 70 Prozent erreicht.“ Um die CO2-Neutralität zu ermöglichen, investiere das Unternehmen in Energieeffizienz, erhöhe den Anteil regenerativer Energien an der Energieversorgung, kaufe vermehrt Ökostrom zu und kompensiere unvermeidbaren CO2-Ausstoß. „Der Anteil der CO2-Kompensationen wird 2020 deutlich niedriger sein als geplant – nur 25 statt nahezu 50 Prozent. Wir kommen damit bei der Steigerung der Qualität unserer Maßnahmen schneller voran als erwartet“, sagte Denner.
CO2-neutrale Wirtschaft: Neue Beratungsgesellschaft gegründet
In Sachen Klimaschutz schlägt Bosch zwei neue Wege ein, um die eigenen Anstrengungen in die Wirtschaft hinein zu multiplizieren: Ein Ziel ist es, die vor- und nachgelagerten Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette von den beschafften Gütern bis zu den verkauften Produkten möglichst klimaneutral zu gestalten. Bis 2030 soll der Wert der damit verbundenen Emissionen (Scope 3) um 15 Prozent beziehungsweise mehr als 50 Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Dazu habe sich Bosch gegenüber der Science-Based-Target-Initiative als einer der ersten Automobilzulieferer mit einem messbaren Ziel verpflichtet. Zudem bündelt das Unternehmen in der neuen Beratungsgesellschaft „Bosch Climate Solutions“ künftig sein Wissen und die Erfahrung von nahezu 1000 Bosch-Experten weltweit und aus mehr als 1 000 eigenen Energieeffizienz-Projekten. „Wir wollen unsere Erfahrungen auch anderen Unternehmen auf ihrem Weg zur CO2-Neutralität zur Verfügung stellen“, begründete Denner den Schritt.
Wachstumsmarkt für Europa: Einstieg in Wasserstoff-Wirtschaft
„Der Klimaschutz bleibt für die Menschheit überlebenswichtig – er kostet, aber Nichtstun wird noch teurer“, betonte Denner. „Die Politik muss den Weg frei machen für mehr Erfindergeist in den Unternehmen, um mit Technik der Umwelt zu nutzen – ohne dem Wohlstand zu schaden.“ Wichtig ist laut Denner eine breite Technologieoffensive, die nicht nur einen batterieelektrischen Weg zu nachhaltiger Mobilität vorgibt, sondern auch eFuels und Brennstoffzelle berücksichtigt. Der Unternehmenschef forderte für die Zeit nach der Corona-Krise einen mutigen Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft und in die eFuels-Produktion. Nur so kann seiner Einschätzung nach Europa bis 2050 klimaneutral werden. „Heutige Wasserstoff-Anwendungen müssen raus aus den Reallaboren und rein in die Realwirtschaft“, sagte Denner. Er appellierte an die Politik, die erforderlichen Technologien zu fördern. „So können wir auch ehrgeizige Klimaziele erreichen“, ermutigte Denner.
Der Klimaschutz beschleunigt den Strukturwandel in vielen Branchen. „In der Automobilindustrie genauso wie in der Gebäudetechnik gewinnt Wasserstoff an Bedeutung. Hierauf ist Bosch sehr gut vorbereitet“, erklärte Denner. Für den Einsatz in Fahrzeugen bereite Bosch bereits mit dem Partner Powercell die Industrialisierung des Stacks einer mobilen Brennstoffzelle vor. Die Markteinführung ist für 2022 geplant. Das Unternehmen will sich damit auf einem weiteren Wachstumsmarkt erfolgreich positionieren: Bereits 2030 könnte jedes achte neuzugelassene schwere Nutzfahrzeug mit einer Brennstoffzelle ausgestattet sein. An stationären Brennstoffzellen arbeitet Bosch mit seinem Partner Ceres Power. Diese können zum Beispiel bei der Stromversorgung von Rechenzentren zum Einsatz kommen. Bosch rechnet bereits 2030 mit einem Marktvolumen von mehr als 20 Milliarden Euro für Brennstoffzellen-Kraftwerke.
Antriebs- und Thermotechnik: Elektrifizierung des Produktportfolios
„Elektrische Lösungen im Zeichen des Klimaschutzes werden die bisher dominierende Verbrennertechnik im Auto zunächst nur ergänzen können“, betonte Denner. Deshalb treibe Bosch die Weiterentwicklung der Antriebstechnik technologieoffen voran. Laut der Marktforschung von Bosch werden auch 2030 zwei von drei Neuwagen Diesel oder Benziner sein, mit oder ohne Hybrid. Das Unternehmen investiere daher auch weiterhin in hocheffiziente Verbrennungsmotoren. So stoße der Diesel mit der neuen Abgastechnik von Bosch nahezu kein Stickoxid mehr aus, wie unabhängige Tests bereits gezeigt haben. Auch den Benziner entwickelt Bosch konsequent weiter: Mit innermotorischen Maßnahmen und effizienter Abgasnachbehandlung könne der Partikelgrenzwert der Euro-6d-temp-Norm um etwa 70 Prozent unterschritten werden.
Bosch setzt sich zudem für erneuerbare Kraftstoffe ein, da auch der bereits vorhandene Fahrzeugbestand einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten muss. Sogenannte eFuels, also synthetische Kraftstoffe, die ausschließlich mit erneuerbaren Energien erzeugt werden, können den Verbrenner CO2-neutral machen. Laut Denner wäre es deshalb ein zielführender Ansatz, solche eFuels auf den Flottenverbrauch anzurechnen, anstatt die CO2-Regulierung für die reinen Fahrzeugemissionen weiter zu verschärfen.
Darüber hinaus will Bosch Marktführer in der Elektromobilität werden. Dazu investiert das Unternehmen in seinen Werken Eisenach und Hildesheim in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro in die Produktion elektrischer Antriebssysteme. Auch im Bereich Thermotechnik hält die Elektrifizierung beispielsweise bei der Heizungsmodernisierung ihren Einzug. „Wir erwarten eine Dekade der Elektrifizierung im Heizungskeller“, sagte der Bosch-Chef voraus. Vor diesem Hintergrund investiert Bosch zusätzlich 100 Millionen Euro ins Wärmepumpen-Geschäft und will seine Entwicklung ausbauen sowie die Marktanteile verdoppeln.
Quelle: Bosch — Pressemitteilung vom 29.04.2020