Bei der Treibhausgasminderungs-Quote (THG) für private E-Autohalter bestehen noch viele Unsicherheiten: Wann wird das Geld ausgeschüttet? Kann ich meinen E-Roller anmelden? Ist die Prämie steuerfrei? Und vor allem: Wer sind die seriösen Anbieter unter den rund 100 Vermittlern?
Die letzte Frage lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Noch gibt es keine negativen Auffälligkeiten. Während einige Vermittler bereits Ende März 2022 die ersten Prämienzahlungen überwiesen, dauert es bei anderen länger. Insgesamt hat der gesamte Prozess mehr Zeit in Anspruch genommen, als den Quoten-Berechtigten in Aussicht gestellt wurde. “In Einzelfällen wurden Halter sehr ungeduldig. Wir haben dafür großes Verständnis, denn da das Ganze neu ist, bleibt natürlich die Angst, dass das Geld womöglich gar nicht ausgezahlt wird“, sagt Benedikt Gerber, Geschäftsführer von eQuota* (White-Label) und eMobia* (Endkunden).
Elektroauto-News hat mit fünf Vermittlern über Anlaufschwierigkeiten, Hürden und Zukunftsaussichten gesprochen. Durch die Bank sagen alle, die Validierung der Fahrzeugscheine durch das Bundesumweltamt habe deutlich länger als erwartet gedauert. “Am 1. Januar 2022 haben wir unsere Anträge eingereicht. Am 23. März haben wir den Bescheid über die Zertifizierung erhalten“, sagt Marc Schubert von der Ecoturn GmbH, die Elektrovorteil.de* betreibt.
Die Vermittler haben viel Geld und Zeit in technische Lösungen investiert, um große Mengen an Fahrzeugscheinen und Halterdaten erfassen und validieren zu können. “Doch der Technologiestand der Behörde hat sich als problematisch erwiesen. Hier herrscht eine große Diskrepanz zu unserem Technologiestand”, sagt Luca Schmadalla von Geld für eAuto*. Vereinfacht gesagt: künstliche Intelligenz trifft auf Excel-Tabelle. Zudem wurde im laufenden Prozess die Gruppe der antragsberechtigten Fahrzeuge durch das Bundesamt erweitert. “Uns hat es positiv überrascht, das plötzlich Elektro-Motorräder oder Renault Twizys antragsberechtigt waren“, sagt Yannic Neubauer, Marketingchef und Co-Gründer von Smartificate*. Das setzte bei einigen Nutzern Fantasie frei. Geld für eAuto erreichte ein Arztrezept als Nachweise für einen elektrischen Rollstuhl, für den der Nutzer eine THG-Quote verkaufen wollte.
Unsauberes Vorgehen
Wo es leicht zu verdienendes Geld gibt, sind Betrüger nicht weit. Noch sind keine Fälle öffentlich, aber das dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Sofortauszahlungen bergen ein großes Risiko für den Vermittler. Dabei wird angeboten, die THG-Prämie mit einem Abschlag sofort oder innerhalb weniger Tage auszuzahlen. Innerhalb dieser kurzen Zeiträume kann jedoch nicht über das Bundesumweltamt überprüft werden, ob das gemeldete Fahrzeug tatsächlich existiert und erstmalig für die THG-Quote* angemeldet wird. “Verluste daraus wird ein Unternehmer sicherlich nicht selbst tragen, sondern natürlich an anderer Stelle wieder reinholen müssen. Das möchte ich meinen Kunden nicht zumuten müssen“, sagt Schubert, der sich gegen Sofortauszahlungen entschieden hat.
Bei schwankenden Preisen für die THG-Quote ist es denkbar, dass Vermittler den Auto-Haltern in der eigenen Abrechnung einen niedrigeren Erlös angeben, als sie vom Mineralölunternehmen erhalten haben. Abhilfe würde eine Verkaufsbestätigung von Seiten des aufkaufenden Öl-Unternehmen schaffen, in dem der Aufkaufpreis festgehalten ist. “Doch unsere Vertragspartner verlangen für einen gewissen Zeitraum Verschwiegenheit“, sagt Schubert. Als unabhängige Instanz könnte das Hauptzollamt ohne Nennung des Aufkäufers die jeweilige Preise veröffentlichen, denn die Behörde registriert und kontrolliert jeden Vertrag.
Zu viele kleine Fische
Der THG-Markt ist inzwischen extrem unübersichtlich. “Es gibt über 100 Anbieter“, sagt Gerber. Mit der Erweiterung der THG-Quote auf private Fahrzeughalter entstand eine gewisse Goldgräberstimmung so Marc Schubert: “Es wird noch eine Weile dauern, bis sich Anbieter mit seriösen und durchdachten Konzepten von den windigen `Get rich fast´-Opportunisten abgesetzt haben.” Etliche der Neugründungen verfügen über keinerlei Branchenerfahrung. “Wir sind sehr überrascht, wie viele Anbieter am Markt entstehen und ehrlich gesagt auch, wie wenig Wissen bei einigen über die Quote vorhanden ist. Ãœber GreenTrax erhalten wir laufend komische Anfragen, ob man bei uns gesammelte Fahrzeugschein gegen Geld tauschen könne“, sagt Philip Weykamp, Co-Gründer von Green Trax. Das Unternehmen ist bereits seit zwei Jahren im B2B-Geschäft mit der THG-Quote aktiv. Auf dem Markt für Privatkunden sind sie als fairnergy.org* vertreten.
“Die Anzahl der Anbieter wird sich minimieren. Man merkt jetzt bereits, dass der Prozess komplexer ist, als er aussieht und viele Anbieter dem langfristig nicht Stand halten können“, sagt Schmadalla. Eine gewisse Größe der Plattform sei wichtig, um die versprochenen Auszahlungen einhalten zu können. Dem stimmt auch Weykamp zu: “Insgesamt werden eine Konsolidierung sehen: Viele der kleinen Anbieter werden wieder gehen, da diese einfach keinen Abnehmer finden. Auch werden einige schlicht pleite gehen, weil sie ihren Kunden zu viel versprechen.”
Viele Scheine und gute Kontakte
Die Vermittler bündeln THG-Quoten privater Halter und verkaufen sie in großen Paketen an Mineralölunternehmen. Dafür sind zwei Dinge entscheidend: Große Mengen an Fahrzeugscheinen als auch gute Kontakte in die Mineralölwirtschaft. Wer beides nicht hat, dürfte in den kommenden Jahren Schwierigkeiten bekommen. Es stellt sich grundsätzlich die Frage: Wozu benötigen Mineralölunternehmen die Vermittler? Sie könnten die Fahrzeugscheine sowie Daten der E-Auto-Halter auch direkt einsammeln und dem Bundesumweltamt melden. Diese Versuche gibt es bereits. In einigen Verträgen finden sich Klauseln, dass Vermittler sämtliche Kundendaten offenlegen und übergeben sollen. Nachvollziehbar, denn die THG-Regelung läuft bis 2030. Da lohnt es sich für die Öl-Konzerne, das Geschäft gleich in Eigenregie abzuwickeln.
THG-Quote: Wie wird der Preis ermittelt?
Die vereinfachte Antwort auf die Frage lautet: Es ist ein intransparenter, oligopoler, komplexer Markt. Die längere Antwort beginnt mit der Intransparenz. Es ist nicht wie an einer Börse, wo Aktien eines Unternehmens gehandelt werden. Die Zahl der Anbieter und Nachfrager sowie deren Preisvorstellungen sind öffentlich einsehbar, die Preisbildung erfolgt (einigermaßen) nachvollziehbar. Bei der THG-Quote fragen Broker die erzielten Preise bei Marktteilnehmern ab und veröffentlichen einen Mittelwert. Große Broker sind Argus, Olyx und SCB. Die drei decken schätzungsweise 80 Prozent des THG-Marktes ab. Somit orientieren sich fast alle Beteiligten an deren Daten.
Der Markt weist Zeichen eines Oligopols auf, also wenige Aufkäufer und viele Verkäufer. Als Aufkäufer der Quoten sind Total, Shell, BP (Aral) und Esso die “Marketmaker”. Wenn die vier keinen Bedarf an weiteren THG-Quoten haben, brechen die Preise ein. Wie sehr der Preis für die THG-Quote unter Druck geraten ist, zeigt die Grafik der THG Börse. Der Preis liegt aktuell unterhalb vieler angebotener Prämienzahlungen. Damit kommen wir zu: komplex. Angenommen die Regierung beschließt autofreie Sonntage oder sonstige Fahrverboten, um vom russischen Erdöl loszukommen. Dann geht der Absatz an den Zapfsäulen zurück. Weniger verkauftes Benzin und Diesel bedeuten, die Betreiber müssen weniger THG-Quoten kaufen. Die Anrechnung der Bioquoten (E5/E10) werden laufend angepasst, auch darauf reagiert der Preis.
Ein Drittel der E-Autos erfasst
Dann gibt es noch UER-Quoten. In diesem Jahr müssen die Ölunternehmen ihre Treibhausgasemissionen um sieben Prozent reduzieren. Diese Quote darf zu 1,2 Prozent aus UER-Quoten bestehen. Die stammen aus China und sind deutlich billiger als heimische THG-Quoten. Das Kürzel steht für Upstream Emission Reduction. Upstream bezeichnet den Prozess der Rohöl-Förderung. Hierbei sind das Abfackeln, Ablassen sowie unkontrolliertes Entweichen von Gasen wesentliche Quellen von Treibhausgasemissionen. Werden bei der Förderung die Emissionen reduziert, werden erneuerbare Energien bei Förderung und Transport von Rohöl eingesetzt, kann der Betreiber das in Form von UER-Quoten zu Geld machen – auch in Deutschland. Komplex, nicht wahr?
Aktuell sind in Deutschland rund 722.000 E-Autos zugelassen. Rund die Hälfte sind in privater Hand. Die befragten Anbieter schätzen, dass bislang rund ein Drittel der Halter in Sachen THG-Quote erreicht wurden. Marc Schubert schätzt den Anteil sogar auf bis zu 45 Prozent. “Insgesamt ist noch eine Verunsicherung zu spüren, allerdings glaube ich, dass der Markt ein gewisses Sättigungsniveau bereits erreicht hat“, sagt Philip Weykamp von fairnergy.
Wer vermittelt morgen die Quoten?
Für weitere THG-Quoten sind neue Halter von E-Autos interessant. Somit werden sich Werbeaktivitäten und Kooperationen auf Autohäuser, Werkstätten, Leasing-Anbieter sowie Stadtwerke (Fahrstrom) erweitern. Je breiter sich Vermittler aufstellen, desto schwieriger wird es für die Mineralöl-Unternehmen,  sie aus “dem Weg zu räumen”. So will eQuota seine technische Lösung zu einer Plattform für Ecofuels, Emissionszertifikaten und andere Klimaschutzprojekte ausbauen. “Damit rufen wie das eBay für den Quotenhandel ins Leben“, formuliert es Benedikt Gerber.
Für den E-Auto-Halter stellt sich jedoch die Frage: An wen verkaufe ich im kommenden Jahr meine THG-Quote? (sofern er oder sie sich nicht gleich für mehrere Jahre festgelegt hat). Um die eingangs gestellte Frage nach einem zuverlässigen Vermittler zu beantworten: Kundenbewertungen lesen (z.B. Trustpilot), Feedback in Foren suchen sowie Freunde und Bekannte mit E-Autos nach ihren Erfahrungen  fragen.
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