Lithium stellt einen der, wenn nicht sogar den Schlüsselrohstoff für die Umsetzung der Verkehrswende dar. Das Leichtmetall ist aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften in aktuellen Lithium-Ionen-Batterien, unabhängig von der Batteriezusammensetzung, nicht ersetzbar. Sowohl Produktion als auch Verkauf konventioneller Verbrennungsmotoren soll in einigen Ländern mittelfristig eingestellt werden. Die EU plant derzeit sogar ein komplettes Verbot ab 2035, was das Thema E-Mobilität weiter anheizen dürfte. In Deutschland sollen laut dem Wunsch der Ampelkoalition bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos zugelassen sein.
War das Thema bis vor wenigen Jahren ein überwiegend chinesisches, so entwickeln sich die USA, aber vor allem Europa, mehr und mehr zu Hotspots für die Zellfertigung und die E-Mobilität. Die Mobilitätswende wird die gesamte Branche in den kommenden Jahren maßgeblich verändern und entsprechend auch den Bergbausektor vor sehr große Herausforderungen stellen. Fragen nach Verfügbarkeiten, Nachhaltigkeit in der Gewinnung und zukünftigen Preisentwicklungen werden weiter in den Fokus rücken.
Um zukünftige Preis- und Lieferrisiken bei der Versorgung mit Lithium besser zu identifizieren, führte die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vor wenigen Tagen gemeinsam mit Vertretern der Industrie zu diesem Thema einen digitalen Industrieworkshop durch.
Die Gesamtnachfrage nach Lithium werde aktuell noch über das Primärangebot der Bergwerksförderung gedeckt. Der Sekundärsektor spielt in diesem Zusammenhang bislang noch keine Rolle. Mit Blick auf 2040 werde sich das verändern, so die BGR in einer aktuellen Mitteilung.
Die globale Nachfrage nach Lithium wird, je nach Nachfrageszenario auf ca. 316.300 bis 558.800 Tonnen Lithium bis zum Jahr 2030 steigen. 2020 wurden weltweit 82.000 Tonnen Lithium produziert. Die Nachfrage soll im Jahr 2030 darüber hinaus vom Batteriesektor, speziell der E-Mobilität, dominiert werden (ca. 90 Prozent). Aktuell liege der Bereich der Batterien bei rund 67 Prozent der Gesamtnachfrage.
„Wir werden nicht genug Lithium haben, um die erwartete weltweite Nachfrage 2030 zu decken“
Die Lithiumförderung muss der BGR zufolge in den kommenden Jahren um den Faktor vier bis sieben ausgebaut werden, um die prognostizierten Bedarfe decken zu können. Dies allein werde den Bergbausektor und die verarbeitende Industrie vor enorme Herausforderungen stellen. Hinzu kommen Aspekte einer möglichst nachhaltigen Gewinnung.
„Selbst wenn alle aktuell geplanten und im Bau befindlichen Projekte im Zeitplan umgesetzt werden und wir von einem mittleren Nachfragewachstum ausgehen, werden wir nicht genug Lithium haben, um die erwartete weltweite Nachfrage 2030 zu decken“, erklärt Studienautor Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in der BGR. Die Primärförderung von Lithium stelle ein Oligopol dar: „Das Angebot wird aktuell von zwei Ländern bestimmt. So stellten Australien und Chile knapp 75 Prozent der globalen Bergwerksförderung im Jahr 2020. Je nach Szenario könnten weitere Länder erhebliche Marktanteile bis 2030 hinzugewinnen“, erläutert Schmidt weiter.
In Europa wird Lithium im Moment nicht primär gewonnen, jedoch stehen nach aktuellem Stand potentielle Zellfertigungskapazitäten von bis zu 1300 GWh auf dem Papier. Falls es in Europa und speziell Deutschland zukünftig zu einer solchen Fertigung von Batteriezellen kommen sollte, wäre die hiesige Industrie auf den Import von Vorprodukten angewiesen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Selbstversorgung Europas aus Europa 2030 im aufgeworfenen Szenario nur zu etwa 27 bis 34 Prozent möglich wäre. Das Recycling könnte lediglich ca. 3 bis 10 Prozent des Bedarfs in Europa im Jahr 2030 decken. Es würde daher immer noch zu einer hohen Importabhängigkeit kommen. Der Nutzung europäischer Potentiale sollte eine hohe Priorität eingeräumt werden. Die Importabhängigkeit und auch der Umweltabdruck durch den weiten Transport könnten dadurch verringert werden.
Große Unsicherheiten in Prognosen sind allerdings in den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen auf globaler Ebene, der Inflation, der Covid-19 Pandemie, der No-Covid Strategie Chinas, unterbrochenen Lieferketten sowie dem Krieg in der Ukraine zu verorten.
Auch andere Marktbeobachter sehen eine Versorgungslücke bezüglich Lithium und damit einher gehend einige Herausforderungen auf uns zukommen: Das Advanced Propulsion Centre (APC), ein wissenschaftliches Beratungsgremium von britischer Regierung und der nationalen Automobilindustrie, geht davon aus, dass die Produktion von Elektroautos aufgrund des Rohstoffmangels nicht wie geplant hochgefahren werden kann: Statt der für das Jahr 2030 prognostizierten 40 Millionen Elektroautos weltweit sollen es nur 25 Millionen sein können.
Mehr als 70.000 Euro pro Tonne Lithium
Die Knappheit treibt schon jetzt die Preise für Lithium nach oben. Allein seit Jahresbeginn hat sich Preis für eine Tonne Lithium verdoppelt und liegt aktuell je nach Markt zwischen gut 71.000 und 78.000 Euro – gut siebenmal mehr im Vergleich zu Januar 2021. Die stetig größer werdende Angebotslücke dürfte den Preis noch weiter erhöhen, erwarten Analysten.
Weltweit seien derzeit Projekte von bis zu 275.560 Tonnen Lithium bis 2030 in Planung, so das Handelsblatt. Dies allerdings reicht nicht aus, um den prognostizierten Bedarf zu decken. Und neue Projekte brauchen Zeit, etwa fünf bis zehn Jahre. „Man hätte also schon vor zwei Jahren anfangen müssen, um diese Lücke halbwegs abfedern zu können“, erklärt Schmidt von der BGR. Ein Hauptproblem sei auch fehlendes Kapital für neue Minenprojekte.
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) – Pressemitteilung vom 22.06.2022 / Handelsblatt – Elektroauto-Boom droht auszubleiben: „Es ist einfach nicht genug Lithium da“