Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, erklärte in einem Interview mit dem ADAC, wieso klimaneutrale Mobilität nur mit Elektroautos und nicht mit Verbrennern möglich ist, und warum sie der Meinung ist, dass auch die Ergebnisse der vergangenen Europawahl nicht viel an den Klimazielen im Verkehrssektor ändern werden.
Es gebe „weiterhin eine breite demokratische Mitte im Europaparlament“, weshalb „eine zukunftsorientierte EU-Politik nach wie vor möglich“ sei, so Zimmer: „Die Klimaziele werden von der Mehrheit der Parteien nicht infrage gestellt – trotz des Zuwachses der Rechtsaußen-Fraktionen“, sagt sie. Auch in den kommenden fünf Jahren werde es „vor allem darum gehen, wie die Klimapolitik im Verkehrssektor zu Standortsicherung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Gerechtigkeit beitragen kann.“
Zimmer rechnet für den Green Deal sowie die CO2-Flottengrenzwerte für Pkw „nicht mit einem grundlegenden Kurswechsel“ und verweist darauf, dass es auch schon vor der vergangenen Europawahl „fester Bestandteil der vereinbarten Rechtsvorschriften“ gewesen sei, dass die EU-Kommission die Fortschritte bei der Umsetzung der Verordnungen im Jahr 2026 überprüft. „Davon hängt auch ab, ob die Entscheidung, keine Neuwagen mit Treibhausgasemissionen mehr zuzulassen, weiterhin Bestand haben wird“, so Zimmer.
Und es gebe „gute Gründe, daran festzuhalten“, da Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will, was nur funktionieren werde, wenn entsprechend auch die CO2-Emissionen im Verkehrssektor deutlich sinken. „Da europäische Fahrzeuge durchschnittlich 15 Jahre auf den Straßen eingesetzt werden, können demzufolge ab dem Jahr 2035 keine Neuwagen mehr zugelassen werden, die Treibhausgase ausstoßen“, erklärt sie. Sie verweist in dem Zusammenhang auch auf Studien mit verschiedenen Szenarien zu den Kosten des Umbaus hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft: „Je länger der Wandel hinausgezögert wird, desto teurer und schwieriger wird es für die Gesellschaft und die Industrie, die Klimaziele zu erreichen und wettbewerbsfähig zu bleiben“, fasst Zimmer zusammen.
Beim Pkw sei der Schwenk auf Elektroautos alternativlos: „Wenn der Kurs auf Elektromobilität politisch infrage gestellt wird, entsteht der fälschliche Eindruck, als gäbe es schon bald andere Lösungen, mit denen sich die Klimaziele erreichen ließen“, so Zimmer. Die vor allem in Deutschland hochgekochte Debatte, „ob die Antriebswende auf der Straße wie geplant stattfindet“, verunsichere „nicht nur die Autohersteller, sondern auch Verbraucherinnen und Verbraucher. Da fällt es Kaufinteressierten schwer, sich zu entscheiden“.
“E-Fuels werden keinen nennenswerten Beitrag leisten können”
Zudem fehlen „gute und preiswerte Angebote für E-Autos – vor allem bei den Kleinwagen“, bemängelt sie. Dabei wären schon jetzt „bezahlbare Alternativen zu Verbrennern notwendig, weil Tanken wegen des steigenden CO2-Preises immer teurer wird“, gibt Zimmer zu bedenken. E-Fuels hält Zimmer für einen Irrweg: „Um die EU-Klimaziele im Straßenverkehr bis 2035 zu erreichen, werden E-Fuels keinen nennenswerten Beitrag leisten können“, sagt sie.
Einerseits sei „ihre Herstellung sehr teuer und die Energieumwandlung bei synthetischen Kraftstoffen vergleichsweise ineffizient“. Andererseits seien sie „noch nicht in ausreichender Menge verfügbar, weil es kaum Produktionsanlagen gibt“. Außerdem würden sie dringender gebraucht für andere Anwendungen, wo der Batterie-elektrische Antrieb keine Option ist, etwa in der Luft- und Schifffahrt.
Damit auch Deutschland – wie es etwa in Frankreich, den Niederlanden und Norwegen gut gelingt – wieder auf Elektro-Kurs kommt, „bräuchte es eine klimagerechte, effiziente und sozial ausgewogene Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen im Straßenverkehr“, schlägt Zimmer vor: „Zum Beispiel sollte die Pauschalbesteuerung für Verbrenner-Dienstwagen auf 1,5 Prozent angehoben und die Kfz-Steuer auf die Erstzulassung konzentriert und nach CO2 differenziert werden“. Mit den daraus resultierenden Mehreinnahmen könnten dann in einem Bonus-Malus-System auch wieder Kaufzuschüsse für E-Autos eingeführt und gegenfinanziert werden.
Quelle: ADAC – “Je länger die Verkehrswende sich verzögert, desto teurer wird es”