Der Audi SQ6 e-tron erfüllt mehrere Aufgaben gleichzeitig. Er wehrt die Konkurrenz aus China ab, lässt sich dynamisch bewegen, ohne ganz die Agilität des Technikbruders Porsche Macan Electric zu erreichen, überzeugt aber mit einem ausgewogenen-neutralen Fahrverhalten.
Bei Audi setzen sie große Hoffnungen in den Q6 e-tron. „Trotz der Konkurrenz aus den USA und China sind wir überzeugt, dass wir mit dem Q6 e-tron Erfolg haben werden“, strahlt Produktmanager Philippe Bornert und spielt damit auf Teslas Model Y und den BYD Tang an. Für das Reich der Mitte wird es auch eine lange Version des Ingolstädter SUVs geben. Natürlich spielt auch der Heimatmarkt eine wichtige Rolle in den Planungen der Strategen mit den vier Ringen. In Deutschland kann man nach wie vor gutes Geld verdienen und man möchte sich ungern vor der eigenen Haustüre die Butter vom Brot nehmen lassen.
Erste Fahrt im Audi SQ6 e-tron – Eindrücke
Deshalb haben wir uns gleich hinter das Lenkrad des Audi SQ6 e-tron geschwungen, der bis zum Erscheinen der RS-Variante das Top-Modell sein wird. Mit einer Leistung von 360 KW / 489 PS ist er alles andere als untermotorisiert. Ein Auto, das in 4,4 Sekunden von null auf 100 km/h sprintet und bis 230 km/h schnell ist, ist alles andere als eine lahme Krücke.
Natürlich drängt sich beim Audi SQ6 e-tron sofort der Vergleich zum Porsche Macan Electric auf, mit dem sich der Audi die Premium Platform Electric (PPE) teilt. Die Zusammenarbeit hat sich ja bereits beim Porsche Taycan und dem Audi e-tron GT bewährt. Gerade bei der Elektromobilität empfiehlt es sich, auf die Kosten zu achten und die finanzielle Last auf zwei Schultern zu verteilen.
Auch wenn das bedeutet, dass die Autos rund zwei Jahre später auf den Markt kommen, als ursprünglich geplant. Die Zusammenarbeit lief also nicht ganz rund. Aber dazu später mehr. Schauen wir uns zunächst die Unterschiede der beiden Konzernverwandten an. Der Audi SQ6 e-tron liegt leistungsmäßig zwischen dem Macan Electric (300 kW / 408 PS) und dem Macan Electric Turbo (470 kW / 639 PS). Auch beim Antriebsstrang geht beide eigene Wege: Während die Zuffenhausener an beiden Achsen auf permanenterregte Synchronmotoren (PSM), die auf Performance getrimmt sind, setzen, ist es beim Audi eine Mischlösung. An der Hinterachse ein PSM und vorne eine Asynchron-E-Maschine (ASM). Das erkennt man auch anhand der Kraftverteilung des SQ6 e-tron: vorn 140 kW / 190 PS mit 275 Nm Drehmoment und hinten 280 kW / 381 PS mit 580 Nm.
Audi hat sich bewusst für diese Kombination entschieden, da das ASM-Triebwerk keine elektrischen Schleppverluste generiert, wenn es unbestromt mitläuft, also nichts zum Vortrieb beiträgt. Der Grund ist also die größere Effizienz im Vergleich zur reinen PSM-Bestückung, da sich die Maschine, wann immer es geht, vom Antrieb abkoppelt. In Ingolstadt spricht man immer von der „Audi DNA“. Die ausgewogen sein soll. Das spiegelt sich auch im Fahrverhalten wider. Der SQ6 e-tron ist nicht so auf Agilität und Sportlichkeit getrimmt, wie der Macan Electric, fährt sich runder und nicht ganz so „spitz“. Der Porsche macht alles eine Spur agiler, sei es das Einlenken, das Durcheilen von Kurven oder das progressive Rausbeschleunigen.
Weitere Unterschiede sind, dass der Macan Electric im Gegensatz zum Audi eine Hinterachslenkung und der Macan Electric Turbo einen Performance Hinterwagen hat, bei dem die E-Maschine um die Fahrzeugquerachse gedreht und gleichzeitig weiter hinten positioniert wurde. Das Resultat ist eine hecklastige Achslastverteilung von 48 Prozent vorne und 52 Prozent hinten. Zum Vergleich: Beim SQ6 e-tron sind es 49,3 Prozent vorne und 50,7 hinten. Passt zu dem neutralen Fahrverhalten, wie es sich Audi wünscht. Ein Sperrdifferenzial an der Hinterachse sucht man beim Audi ebenfalls vergeblich.
Energieverbrauch und Ladegeschwindigkeit im Blick
Um Missverständnissen vorzubeugen: Mit dem Audi Stromer ist man ziemlich flott unterwegs. Vor allem bei der Lenkung haben die Ingolstädter in den letzten Jahren einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das Lenkgefühl ist natürlich, nicht mehr derart synthetisch und die Umsetzung der Steuerungsbefehle werden präzise umgesetzt. Man weiß jederzeit, wie es um die Traktion bestellt ist.
Kommen wir zum Laden und der Effizienz. Audi gibt den Durchschnittsverbrauch mit 18,4 Kilowattstunden pro 100 km an. Wir kamen bei unserer Testfahrt mit vielen Kurven auf 24,7 kWh/100 km. Im Audi SQ6 etron ist eine Batterie mit einer Kapazität von 100 kWh (94,9 kWh netto) verbaut, damit soll der Stromer bis zu 598 Kilometer weit kommen. Ein wichtiges Element der PPE-Architektur ist die 800-Volt-Technik, was schnelleres Laden mit maximal 270 kW ermöglicht. Audi gibt an, dass die Akkus in 21 Minuten von zehn auf 80 Prozent gefüllt sind.
Wir haben den Praxistest gemacht und sind mit einem Batteriestand von lediglich vier Prozent an der Schnellladesäule angekommen. Um Energie für die Reichweite zu sparen, konnte die Batterie nicht auf die idealen 25 Grad heruntergekühlt werden und war 35,2 Grad warm. Deswegen lud der Audi Q6 e-tron “nur” mit maximal 229 kW Strom, hielt dieses Niveau aber ziemlich lange und so flossen in 15 Minuten 55 kWh bzw. selbst bei unserer sportlichen Fahrweise mehr als 200 frische Kilometer in die Energiespeicher. Eine überzeugende Vorstellung.
Für den Fall, dass lediglich eine 400-Volt-Stromtankstelle zur vorhanden ist, haben die Batterietüftler in Zuffenhausen und Ingolstadt das Bankladen ersonnen. Dabei werden die 800-Volt-Akkus in zwei Hälften geteilt und mit 400 Volt und maximal 135 kW gefüllt. Das Splitten geschieht mit Schaltern, dadurch spart man sich einen Inverter beziehungsweise Booster, der die Spannung angleichen muss, was die Effizienz und dadurch die Ladeleistung steigert.
Beim AC-Stromtanken an einer Wallbox liefert SQ6 e-tron dagegen nur eine durchschnittliche Performance. Aufgrund der 11-kW-Technik vergehen zehn Stunden, bis die leeren Akkus gefüllt sind. Dass bei einem Premium-Fahrzeug, das mindestens 93.800 Euro kostet, nicht mehr drin ist, gibt ein dickes Minus. Künftig soll die 22-kW-Variante als Option erhältlich sein.
Eindrücke vom Interieur
Im Innenraum folgt Audi wie Lucid dem Trend zu gekrümmten Bildschirmen. Der Monitor für die virtuellen Instrumente misst 11,9 Zoll und der Touchscreen daneben sogar 14,5 Zoll. Wie bei Porsche hat nun auch der Beifahrer seinen eigenen Bildschirm, der 10,9 Zoll groß ist. Das Head-up-Display mit Augmented Reality projiziert die Anzeige wie ein 88 Zoll großer Bildschirm quasi auf die Straße.
Audi hat hierbei aus den Schwächen beim Q4 e-tron gelernt: Die Darstellung der Inhalte ist kontrastreicher als bisher und daher sind die wegweisenden fliegenden Pfeile auch bei hellem Licht gut erkennbar. Die Bildschirme fügen sich angenehm in die Umgebung ein und wir erreichen ohne Probleme den zentralen Touchscreen. Das digitale Instrumentendisplay ist überladen und es dauert eine Weile, bis man sich mit der Informationsflut vertraut gemacht hat.
Platz ist bei einem 4,77 Meter langen Auto ohne Kardanwelle kein Thema. Also findet man im Audi auch im Fond viel Platz vor und der Kofferraum ist mit einem Volumen von 514 Litern groß genug. Legt man die Lehnen der Rückbank um, werden sogar 1517 Liter daraus. Allerdings hat Audi die gestalterischen Freiheiten, die ein Elektroauto bietet, nicht optimal genutzt. Während die Zuffenhausener den Wählhebel für die Automatik nach oben in das Armaturenbrett hieven und so Raum in der Mitte zu schaffen, gibt es bei den Ingolstädtern nach wie vor eine klassische Mittelkonsole und damit ein beengteres Gefühl, als das beim Macan Electric der Fall ist.