Oliver Hoffmann ist seit gut drei Monaten der neue Entwicklungsvorstand bei Audi. Zum Einstand sprach er mit Auto Motor und Sport über die großen Themen dieser Zeit in der Automobilentwicklung: Wie etwa den Spagat zwischen Verbrennern und E-Mobilität, die Entwicklung von Batteriezellen und einen neuen Sportwagen von Audi als R8-Nachfolger.
Das „superinnovative“ Fahrzeugprojekt Artemis, eine rein elektrische Oberklasse-Limousine, sei weiterhin auf Kurs, wenn auch mit einer kleinen Verzögerung: das Konzept soll im Jahr 2024 vorgestellt werden und erst ein Jahr später als zunächst geplant in Serie ausgeliefert werden. Audi habe das Fahrzeug „erstmalig aus dem Innenraum heraus gedacht“ und setze auf schnelle Entwicklungsmethoden. Artemis wird auf der gemeinsam mit Porsche entwickelten PPE-Plattform aufbauen und als Premiere im VW-Konzern „das Pilotprojekt für die Einheits-Batteriezelle des Konzerns sein“, ein „einheitliches, prismatisches Zellformat“, wie Hoffmann erklärt.
Bei der Einheitszelle gehe es zunächst vor allem um Skaleneffekte. Der e-Tron auf Basis des Modularen Längsbaukastens (MLB) nutze beispielsweise „noch Zellen von zwei unterschiedlichen Lieferanten in zwei unterschiedlichen Formaten“, so Audis Chefentwickler, da einer allein „gar nicht in der Lage gewesen wäre, die entsprechenden Stückzahlen zur Verfügung zu stellen.“ Die Einheitszelle hingegen werde „unter anderem nach unseren Leistungsanforderungen und den gesetzlichen Vorgaben“ entwickelt, erklärt Hoffmann. In weniger skalierbaren Segmenten, etwa High-Performance-Fahrzeugen, werden allerdings auch in Zukunft Sonderformate benötigt. „Sonst würde es den Baukasten zu stark aufweiten“, so Hoffmann. „Diese Spezialanwendungen bei der Einheitszelle zu berücksichtigen, würde deren Kosten zu sehr in die Höhe treiben“, erklärt er.
Mit dem Q4 e-tron und dem Q4 Sportback e-tron habe nun auch Audi seine ersten Modelle auf Basis der bei Volkswagen entwickelten Plattform MEB, so Hoffmann weiter. Mit den Kompakt-SUVs wolle der Hersteller „hohe Volumen generieren, da sie den Einstieg in die Elektromobilität bei Audi ermöglichen“. Die Fahrzeuge auf der PPE-Plattform seien „der nächste Schritt“. Gemeinsam mit Porsche wolle Audi hier im Vergleich zum bisher bekannten „nochmal einen echten Sprung machen“.
Audis Ingenieure und CEO Markus Duesmann seien sich einig, „dass wir die besten Verbrennungsmotoren und zugleich die besten E-Fahrzeuge auf den Markt bringen“, sagt Hoffmann über den Spagat zwischen Verbrennern und E-Autos. Er wolle während seiner Amtszeit „die Innovationskraft des Audi-Teams stärken“. Da gebe es „wahnsinnig viel Potenzial“ und Ideen für „kundenrelevante Innovationen“. Dafür definiere der Hersteller gerade das Innovationsmanagement mit Prozessen und Strukturen komplett neu. Hoffmann wolle die „Audi-DNA“ neu definieren und dafür „tief in technische Details wie Lenkwinkelbedarf, Handmoment und Akustik“ sowie „Schaltzeiten, Gasannahme, Drehmoment-Aufbau oder Schubmomente und Rekuperationsverhalten bei den E-Fahrzeugen“ eintauchen. „Wir wollen eindeutig definieren, wie sich ein Audi beim Fahren anfühlen muss. Das gilt übrigens auch für das hochautomatisierte Fahren.“
„Elektro ist die Zukunft – das wird sich durchsetzen“
Hoffmann sagt, es sei klar, dass Elektroautos die Zukunft sind: „das wird sich durchsetzen“. Er geht aber auch davon aus, „dass wir in diesem Jahrzehnt noch eine hohe Anzahl an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren verkaufen werden“, wobei dieses Geschäft aktuell „aber sehr volatil“ sei. Zwar entwickle Audi „keinen komplett neuen Grundmotor mehr“, aber werde aktuelle Aggregate weiter verbessern, um sie effizienter und für Kunden attraktiver zu machen. Der Hersteller habe „einen klaren Plan, um die Transformation hinzubekommen“, erklärt Hoffmann. „Wir wollen die Elektromobilität“, sagt er, und „grundsätzlich“ glaube er auch, „dass uns niemand mehr über Regularien zur E-Mobilität zwingen muss, wir haben uns längst dem Wandel verschrieben.“
Auf den Sportwagen R8 bezogen, der das Image von Audi stark geprägt hat, sagt Hoffmann, dass es sicherlich „keinen rein konventionell angetriebenen Sportwagen mehr geben“ werde. Der Hersteller schaue „gerade verschiedene Konzepte an, mit einem hohen oder gar einem hundertprozentigen Elektrifizierungsgrad“, wobei es auch „Synergien mit anderen Konzernmarken geben“ könne. Audi wolle „Sportwagen anders denken“, so der Chefentwickler der Marke. „Damit werden wir auch unserem Anspruch an ‚Vorsprung durch Technik’ gerecht werden.“
Quelle: Auto Motor und Sport – Interview mit Audi-Entwicklungsvorstand Hoffmann: Zwischen Verbrennern und E-Mobilität