Eine persönliche Analyse von Daniel Krenzer
Eindrücke in Hülle und Fülle gibt es sowohl vom Kongress als auch der Messe Power2Drive in München zu verarbeiten. Wir haben versucht, diese Eindrücke in fünf aus unserer Sicht wesentliche Themenblöcke zu untergliedern. Diese Erkenntnisse bringt die für die bedeutendste Messe für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität in Europa unter anderem:
Ladestationen werden immer digitaler
Immer größer, immer hochauflösender, immer funktionaler: Eine Vielzahl der in München neu vorgestellten Ladestationen setzt zunehmend auf die Möglichkeiten der Digitalisierung. Zunehmend viele Charger sind mit großen Monitoren ausgestattet – und das nicht nur seitlich für Werbezwecke, wie von Jolt und Numbat bekannt. Häufig anzutreffen sind große hochkant gestellt Displays an der Front der Ladestation, wo Nutzerinnen und Nutzer zum einen Informationen über den Ladevorgang angezeigt bekommen können, wo aber auch Werbung ausgespielt werden kann.
Auch Spielereien sind damit gut möglich, wie ADS-TEC zeigt. An einer riesigen Doppel-Ladestation mit großem Solardach lassen sich mithilfe eines angebrachten Controllers auch auf dem großen Display an der Seite der Ladestation Spiele spielen, auf der Messe war dies der Klassiker Pacman. Und natürlich hing auf beiden Seiten ein Controller, denn es können ja zeitgleich zwei Personen an der Ladestation ihr Fahrzeug aufladen und sich so die Zeit vertreiben. Ja, ja, Tesla-Fahrer mit Konsole an Bord können darüber vermutlich nur müde lächeln.
Das Netz ist der Flaschenhals
Sowohl auf der Fachkonferenz im Münchner ICM als auch auf der Messe war es immer wieder Thema: Der Flaschenhals der Ladetechnik ist stets das Stromnetz. Zweifellos müssen hier hohe Investitionen her, um das vielerorts in die Jahre gekommene Netz an die neuen Anforderungen anzupassen – so wie wir es zum Beispiel vom Ausbau des schnellen Internets bereits kennen.
Doch der Netzausbau ist am Ende vielleicht sogar nur der kleinere Schlüssel. Denn auch wenn es viele immer noch nicht wahrhaben wollen: Elektroautos sind für die Stromnetze nicht das große Problem, sondern die Lösung, wie sogar der Automobilverband VDA klarstellt. Wenn möglichst viele Elektroautos, die gerade nicht genutzt werden (und das sind jederzeit die allermeisten), am Stecker hängen und nicht nur laden, sondern auch kurzfristig kleine Mengen Strom ans Netz abgeben können, dann wäre das Netz trotz des um eine Handvoll Prozentpunkte erhöhten Strombedarfs stabil. Für die Netzbetreiber könnten Elektroautos Gold wert sein – aber auch für die Besitzer der mobilen Speicher. Unter anderem The Mobility House spricht davon, dass der Strom fürs Elektroauto in Zukunft immer günstiger und im besten Fall sogar kostenlos werden kann. Nur 2500 E-Autos reichen demnach aus, um vier Prozent des kompletten Stromnetzes stabil zu halten.
Noch gibt es viele bürokratische Hürden und die unbegründete Angst in vielen Köpfen, nicht zur rechten Zeit ausreichend Strom im E-Auto zu haben. Damit die Energiewende gelingt, muss das bidirektionale Laden schleunigst und in aller Konsequenz vorangetrieben werden.
Chinesische Präsenz wächst
Für eine europäische Messe waren in den Münchner Messehallen auffällig viele chinesische Unternehmen anzutreffen. Dominierend war dabei die Präsenz bei den ausgestellten Elektroautos. Vor allem BYD und Nio waren an einigen Ecken anzutreffen. Und einige nutzen die Gelegenheit für kleine Testfahrten.
Doch auch in den Hallen rund um die Ladeinfrastruktur gab es zahlreiche chinesische Aussteller. Die Außenwirkung der Stände war aber zumeist eine ganz andere als bei den meisten europäischen Herstellern. So waren viele chinesische Unternehmen in jeweils sehr kleinen Ständen gebündelt. Die Besucher gingen darin durch ein an Straßenmärkte erinnerndes Spalier an chinesischen Firmenvertretern, die scheinbar etwas wahllos Informationen zu ihren Produkten anboten, ohne dass allzu viele Gäste darauf eingingen. Vielleicht lag es daran, dass die sehr einheitlich gestalteten Stände und darin präsentieren Wallboxen, Kabel etc. doch etwas beliebig wirkten.
Überleben nur die Stärksten?
Selbst als Kenner der Branche lassen sich all die Namen der Anbieter von Ladeinfrastruktur kaum noch merken. Der Markt ist voll von Traditionsunternehmen, die sich nun auf diesem Feld probieren, von ehemaligen Start-Ups, die sich in diesem Feld bereits etabliert haben, und von neuen Unternehmen, die sich behaupten wollen. Ganz zu schweigen von all den vielen Firmen, die gar nicht mit einem Stand vertreten waren, weil diese nicht ganz billig sind.
Keine Frage, die Elektromobilität ist ein Wachstumsmarkt und wird es trotz derzeitiger Delle auch in den kommenden Jahren bleiben. Doch der Eindruck bleibt zurück, dass es aktuell ein schieres Überangebot an Ladeinfrastruktur gibt, wobei sich die Minderheit der Anbieter durch besonders einprägsame und sich abhebende Produkte auszeichnen kann. Für die kommenden Jahre ist sicherlich mit einer gewissen Konsolidierung und Sortierung des Marktes zu rechnen.
Wer sich in diesem dynamischen Markt behaupten und wachsen will, der muss sich gewaltig anstrengen. Als positives Beispiel ist uns in diesem Jahr unter anderem EcoG als “Katalysator der Elektromobilität” aufgefallen, die sich innerhalb weniger Jahre vom Garagen-Start-Up hin zu einem sehr sichtbaren Player mit einem Vielfachen an Mitarbeitern weiterentwickelt haben – aber sympathischerweise ihr Garagen-Image nicht ablegen wollen. Einige andere Akteure sind hingegen verschwunden, andere ehemalige Hoffnungsträger wie Sono Sion auf einen kleinen Stand mit Solar-Produkten zusammengeschrumpft. Und wie wir in den Gesprächen feststellen, ist für den Erfolg eines Unternehmens in der Branche stets auch ein bisschen Glück vonnöten – und die richtigen Kontakte, die in München wieder zuhauf geknüpft wurden.
Deutschland, die Blase der E-Pessimisten?
Während viele Menschen in Deutschland – auch “dank” politischer Irreführungen – nach wie vor zu glauben scheinen, dass die Elektromobilität nur eine vorübergehende Erscheinung ist, schreitet der Hochlauf im Rest der Welt konsequent fort. So ermöglichte der Kongress einen Einblick in die Elektrifizierung in Mexiko, von der sich die dortige Regierung viel verspricht. Das Land hat die Notwendigkeit erkannt, für eine positive Zukunft des Landes in Sachen Transformation eine wichtige Rolle zu spielen. Und die mexikanische Bevölkerung ist dem gegenüber vergleichsweise positiv eingestellt: Laut einer Analyse wollen 43 Prozent aller Autobesitzer im Land in den kommenden Jahren ein Elektroauto erwerben.
Ein Problem in Deutschland sind indes nach wie vor die hohen Strompreise. Dies führe ohne entsprechende Koordination dazu, dass Hochleistungs-Ladestationen und vor allem Megawatt-Charger für Elektro-Lkw rund um die deutschen Grenzen in den Nachbarländern entstehen könnten. Darauf verwiesen Dr. Julia Hildermeier und Andreas Jahn vom NGO Regulatory Assistance Project (RAP).
Interessant war zudem ein Einblick in eine norwegische Analyse zu E-Lkw. Demzufolge sind dort trotz der extremen Nord-Süd-Ausstreckung des Landes und sehr kalter Winter 50 Prozent der Lkw problemlos auf Elektromobilität umstellbar, dabei sparen diese knapp 70 Prozent der laufenden Kosten. Allerdings ist in Norwegen der Strom angesichts der großen verfügbaren Menge an erneuerbaren Energien deutlich günstiger.