Volkswagen-Chef Herbert Diess hat auf der Automobilmesse IAA einmal mehr den Hype um Wasserstoffautos kritisiert. In einer Gesprächsrunde mit Journalisten darauf angesprochen, dass BMW – sein früherer Arbeitgeber – auf der IAA die Studie eines neuen Wasserstoffautos zeige, lachte Diess und sagte: „Das machen die?“, berichtet die WirtschaftsWoche.
Diess – ein leidenschaftlicher Verfechter von Batterie-Elektroautos – sei sich „sehr sicher“, dass die Brennstoffzelle in den kommenden zehn Jahren keine Option als Antrieb in einem Pkw sei. Der Grund dafür sei der benötigte Wasserstoff: „Haben Sie die (Anmerkung: BMW, Daimler) mal gefragt, wo der Wasserstoff herkommt? Das müssen Sie sie mal fragen,“ zitiert das Wirtschaftsmagazin den Manager. Zum Teil habe Wasserstoff sogar „eine höhere CO2-Last als konventionelle Kraftstoffe“ wie Benzin oder Diesel, kritisiert Diess. Besonders absurd sei die Situation in Japan: „Also dass man Wasserstoff aus Braunkohle herstellt und mit Schiffen nach Japan transportiert und dort in Autos füllt, das ist einfach Unsinn.“
Aber selbst wenn Wasserstoff regenerativ produziert wird, verbrauche diese „sehr ineffiziente“ Herstellungsmethode Unmengen an Strom. Für die gleiche gefahrene Strecke komme ein Batterie-Elektroauto mit einem Drittel der Energie aus. „Wenn 100 Kilometer mit dem Elektroauto zehn Euro kosten, kosten sie mit Wasserstoff 30 Euro“, meint Diess.
Zudem kritisiert der VW-Chef, dass die Wasserstofftechnologie auf absehbare Zeit „sehr viel teurer“ bleibe als Batterie-Elektroautos und dass sie einen höheren Platzbedarf habe: „Deshalb sehen Sie das bislang nur in riesigen Autos, in SUVs“, zitiert die WirtschaftsWoche den Manager. Selbst in großen Autos oder Lkw findet Diess den Antrieb nicht sinnvoll: „Aber wo kommt der Wasserstoff her? Sagen Sie es mir.“
Experten warnen vor Wasserstoff-Hype
Auch Experten warnen in einer neuen Studie vor einem unrealistischen Hype der Brennstoffzellen-Technologie. Anstatt Milliarden für die Vision einer Wasserstoff-Gesellschaft auszugeben, sollten sich Investitionen in die vielversprechende Technologie lieber auf Anwendungen konzentrieren, in denen sie auch wirtschaftlich sinnvoll sei, schreiben Experten der Unternehmensberatungsgesellschaft BCG in einer neuen Studie, die dem Handelsblatt vorliegt.
„Wir glauben, dass es großes Potenzial gibt, wenn man grünen Wasserstoff in Anwendungen forciert, in denen er sich langfristig wirklich durchsetzen kann. Vor allem in der Industrie, außerdem im Schwerlast- bzw. Flug- und Schiffsverkehr“, sagt Frank Klose, Mitautor der Studie dem Handelsblatt. Wenn Politik und Industrie sich darauf konzentrieren würden, könnte der Markt für grünen Wasserstoff im Jahr 2050 schon auf den Wert von einer Billion Dollar weltweit anwachsen.
Branchenmitglieder lehnen es dagegen ab, die Anwendungsmöglichkeiten einzuschränken. „Wo der Einsatz von grünem Wasserstoff sinnvoll ist, kann nicht pauschal entschieden werden. Es ist eine Frage der Effizienz, Verfügbarkeit und Flexibilität im Vergleich zu anderen nachhaltigen Technologien“, sagt Nils Aldag, Mitgründer des Dresdner Power-To-X Start-Ups Sunfire im Gespräch mit dem Handelsblatt. Schließlich sei grüner Wasserstoff gerade deshalb so wichtig, weil er vielfältig einsetzbar sei.
Das Bundeswirtschaftsministerium unter Minister Peter Altmaier (CDU) arbeitet zurzeit an einem Konzept für den Einsatz von grünem Wasserstoff in Deutschland. Erste offizielle Eckpunkte will der CDU-Politiker im Oktober vorlegen.
Quellen: WirtschaftsWoche – VW-Chef Herbert Diess über Wasserstoff-Autos: „Das ist einfach Unsinn“ // Handelsblatt – Vorabmeldung vom 19.08.2019