Das Teil ist der rollende Verzicht. Nur 45 Stundenkilometer langsam, die Sitze aus Plastik – und sogar die Sonnenblende kostet Aufpreis. Früher hätte man über ein rollendes Hindernis im Design einer Seilbahn-Gondel schallend gelacht oder wäre gleich davongelaufen. Aber früher war eben früher.
Heute kann man sich einen Winzling wie den Citroën Ami tatsächlich vorstellen. In Frankreich, wo er verkauft wird, allemal – und in Paris ganz besonders. Der Blitz-Würfel fährt elektrisch, ist mit 2,41 Metern 28 Zentimeter kürzer als der Ur-Smart – und abseits der Magistralen gilt in der französischen Hauptstadt ohnehin Tempo 30. Wozu also noch einen dicken Brummer, mit dem man kaum in den dritten Gang kommt und bei der Parkplatzsuche immer verloren hat?
Zunächst einmal ist der Ami überhaupt kein Auto. Auch wenn es entfernt so aussieht. Offiziell steigt man in ein „Leichtes Vierradmobil für Personenbeförderung“ der Klasse L6e-BP. Heißt im Klartext: Es reicht in Deutschland ein Führerschein der Klasse AM und man darf das Kistchen ab 16 Jahren fahren – in einigen Bundesländern sogar schon ab 15. Gleichsam ein E-Roller mit Dach. Nur eben sicherer und komfortabler. Nicht bloß bei Regen. In Deutschland allerdings wird der Ami offiziell nicht verkauft. Hier rollt das Teil demnächst als Opel e-Rocks. Identisches Gefährt, aber halt Blitz statt Doppelwinkel.
Schon der Einstieg ist ungewöhnlich. Erstens, weil der Ami von vorne aussieht wie von hinten – und weil die Türen unterschiedlich angeschlagen sind. Dem Fahrer öffnet sich der Freund vorne, dem Beifahrer umgekehrt. Der Grund ist in beiden Fällen simpel: Was identisch ist, kostet nicht extra. Und so reichen dem Ami rund 250 Bauteile. Das ist ein Zehntel üblicher Autos.
Auch für den Rest ist Schmalhans unter die Konstrukteure gegangen. Lenkradverstellung: keine. Kofferraum: nicht vorhanden. ABS: entfällt. Statt Türgriffen gibt es Schlaufen, statt komfortablem Gestühl plastikbeplankte Rohrrahmen. In den meisten Stadtbussen sitzt man edler. Anders jedoch käme der Ami erst gar nicht in die Nähe der 7.000 Euro, für die er – inklusive Förderung – verkauft wird. Wahlweise zahlt man rund 2.600 Euro an und least für 20 Euro im Monat. Wenigstens haben sie bei Citroën nicht auch noch die Gurte eingespart. Die nämlich wären gar nicht Vorschrift.
Vermutlich mussten es ausgerechnet die Franzosen sein, die ein solches Experiment wagen. Mutig waren sie da schon immer – auch beim Design. Und nicht immer hat es ihnen Anerkennung eingetragen. Dabei war es eine Klapperkiste namens 2CV, die – neben dem Käfer – die Massen mobilisiert hat. Und zu liebevollen Spitznamen animiert. Praktisch, aber eben auch gnadenlos billig. Kleine Reminiszenz: Die Fenster des Ami klappen ebenso hoch wie bei der Ente.
Nicht ohne Grund kann man das spartanische Gefährt als Einstieg in die E-Mobilität begreifen. Sogar in ganz jungen Jahren. Es taugt für Menschen in der City ebenso wie für Jugendliche auf dem Land, die nicht Moped fahren wollen oder dürfen. Und nicht wenige Eltern dürften froh sein, nicht ständig Taxi für ihre Sprösslinge spielen zu müssen. Vier Räder sind für Anfänger halt dann doch irgendwie besser als zwei, vom stählernen Gerüst rundum ganz zu schweigen. Und zur Entschleunigung erzieht der Ami obendrein.
Ein wenig Gelassenheit während der Fahrt kann jedenfalls nicht schaden. Man sitzt nicht nur gefühlt an der Heckscheibe und hat praktisch den ganzen Wagen vor sich. Wobei ganzer Wagen übertrieben klingt. Lenkrad, Tacho samt Reichweitenanzeige, Pedale für Vortrieb und Bremse – und links, neben dem Sitz, die Tasten für die Fahrtrichtung. Dazu Blinker, Lichtschalter und Hupe. Mehr ist nicht. Ach doch: eine Ablage zwischen Volant und Frontverglasung plus Haltehaken für Rucksack oder Handtasche.
Beim Anfahren wird’s erst einmal laut statt schnell. Der 6-kW-Motor hört sich eher nach Akku-Mäher an, sorgt aber dann doch für Vortrieb. Schließlich bringt das Gefährt samt Batterie nicht mal 500 Kilo auf die Waage. Im Idealfall reicht der Akku für 75 Kilometer, realistisch sind eher 50. Vor allem, wenn die Strecke auch mal bergan führt. Vom anschließenden Gefälle nämlich profitiert man kaum, weil der Ami nur wenig rekuperiert. Aufwändigere Technik wäre schlicht zu teuer gewesen. Geladen wird an der ganz normalen Haushaltssteckdose – nach rund drei Stunden ist der 5,5-kWh-Akku wieder voll.
Was der Ami an Tempo schuldig bleibt, macht er im innerstädtischen Wuselverkehr wett. Keine störende C-Säule, wenden klappt auf überschaubaren 7,20 Metern, und in freie Lücken darf man sich auch quer stellen. Sollen die anderen ruhig spotten – während sie Runde um Runde nach einem freien Parkplatz drehen…