Feierabend in Wuhu: das übliche Chaos auf chinesischen Straßen. Auch wenn die Stadt mit „nur“ drei Millionen Einwohnern zu den kleineren Metropolen im Reich der Mitte zählt, herrscht auf den mehrspurigen Stadtautobahnen pure Anarchie. Autos springen über mehrere Fahrspuren, ohne zu blinken. Dazwischen wuseln Motorroller, hin und wieder sogar gegen die Fahrtrichtung. Untermalt wird das Ganze von einem Hupkonzert über mehrere Oktaven. Und in diesem Blechwespennest soll man sein Schicksal in die Hände eines Robo-Autos legen? Im Leben nicht!
Doch! Genau das haben wir vor. Allerdings nicht in irgendeinem Auto. Sondern im Luxeed R7, quasi dem technologischen Gegenstück zum Xiaomi SU7. Zumindest, was die Fahrassistenzsysteme angeht. Denn das Crossover-Coupé ist das Resultat der Zusammenarbeit zwischen dem Autobauer Chery, der seine Expansion in Euro vorantreibt, und dem Technologiekonzern Huawei. Quasi Chinas „Apple Car“.
Die Basis liefert Huaweis Fahrerassistenzplattform Qiankun ADS, die im R7 seit dem jüngsten Facelift als ADS 4.0 läuft. Der Schritt von Version 3.0 auf Version 4.0 ist kein kosmetisches Update, sondern erweitert die Reichweite, Redundanz und Robustheit deutlich. Vorn arbeitet ein 192-Linien-Lidar, hinten ein zusätzliches Solid-State-Lidar. Hinzu kommen fünf 4D-Millimeterwellenradare, elf Kameras und zwölf Ultraschallsensoren. In Summe sprechen Huawei und Luxeed von 36 Sensoren, darunter sechs Außenmikrofone, die beispielsweise Sirenen herannahender Einsatzfahrzeuge erkennen. Übersetzt auf die Straße heißt das: Der überarbeitete R7 sieht weiter nach vorn, deckt den rückwärtigen Bereich besser ab und bleibt bei Nacht, Regen und Nebel stabiler, weil Lidar und 4D-Radar die Schwächen der Kameras ausgleichen. Ein gänzlich anderer Ansatz als etwa der von Tesla.
Apropos Tesla: Der Luxeed R7 setzt auf Huaweis HarmonyOS-Cockpit, das dem der US-Konkurrenz stark ähnelt. Es gibt kaum Tasten, aber dafür ein 15,6-Zoll-Zentraldisplay und vor dem Fahrer ein 12,3-Zoll-Kombiinstrument. Bald wird der große Bildschirm 16,1 Zoll messen und eine 3K-Auflösung haben. Das Lenkrad selbst hat nur zwei Drehwalzen als Fernsteuerung. Wir drücken auf die linke und übergeben dem Autopiloten das Kommando. Zumindest vordergründig, denn offiziell ist dieses Paket als Level 2+ deklariert. Der Fahrer trägt also stets die Verantwortung. Deshalb erscheint regelmäßig die Aufforderung, die Hände ans Lenkrad zu nehmen. Wenn auch nur kurz. „Es ist nur ein Fahrerassistenzsystem, es ist noch nicht klug genug“, sagt der chinesische Beifahrer. Na das macht ja Mut. Doch die Skepsis verfliegt schnell.
Im Robo-Modus agiert der R7 geschmeidiger und menschlicher als alles, was wir bisher gefahren sind. Angefangen bei Mercedes Drive Pilot – dem bislang einzigen zugelassenen Level-3-System – bis hin zu Nios Navigate on Pilot Plus (NOP+). Egal ob Fahrbahnverengungen oder unsaubere Baustellenmarkierungen, das System erkennt die Situation frühzeitig und reagiert ruhig und souverän: Es verringert die Geschwindigkeit und passt die Fahrtrichtung behutsam an. Kein Stottern, kein digitales Herumzucken des Lenkrads, kein Zögern und vor allem kein plötzliches Stehenbleiben. Einfach vorausschauendes Fahren – wie ein Mensch.

Das gilt sogar für heikle Situationen wie das Linksabbiegen im Gegenverkehr oder den U-Turn, wenn sich die Meute auf der anderen Straßenseite bereits nähert. Der Huawei-Luxeed R7 zieht das Manöver sauber durch, ohne zu zögern und ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Auch beim Spurwechsel agiert das System souverän und erkennt, wenn ein Fahrzeug von der anderen Seite denselben Raum beansprucht. Dann steuert der Fahrassistent mit einem entspannten Lenkeingriff zurück und wartet, bis sich die Situation klärt.
Beeindruckend flott schlängelt sich der selbsttätige Luxeed R7 durch die Blechlawinen
Beeindruckend ist, wie flott sich der selbsttätige Luxeed R7 durch die Blechlawinen schlängelt. Bei Tempo 60 erspäht das System eine Lücke, setzt rechts zum Überholen an, wechselt kurz die Spur, schert ein – und wieder aus, sobald sich eine Gelegenheit ergibt. Dabei sind die Abstände zwischen den Fahrzeugen zwar geringer als bei anderen Systemen, aber keineswegs gefährlich. Man hat das Gefühl, als überlasse man das Steuer einem routinierten Pendler im morgendlichen Berufsverkehr.
Hinzu kommt ein ruhiges Abrollen, das nicht allein der Dämmung zu verdanken ist. Die Sensorik liefert Daten für eine vorausschauende Fahrwerksregelung, die Unebenheiten früh erkennt und ausgleicht. Auch wenn wir bei unserem Test eine Navigationsstrecke abgefahren sind, zeigt sich eine andere Stärke des Huawei-Ansatzes: Die Software kann viele Stadtfunktionen auch ohne aufwendig vorbereitete HD-Karten („kartenloses NOA“) abdecken und wird per Over-the-Air-Update (OTA) zügig weiterentwickelt. Unterm Strich erkennt das Auto mehr Situationen aus eigener Wahrnehmung und reagiert dementsprechend.
Diese Gelassenheit setzt genügend Leistung voraus. Die Hinterradantriebsversion leistet 215 kW / 292 PS, die von uns gefahrene Allradvariante bringt es auf 365 kW / 496 PS und sprintet in 3,9 Sekunden von null auf 100 km/h. Das hilft definitiv beim Einfädeln.
Etwas Wasser müssen wir dennoch in den wohlmundigen Wein gießen. Sobald man das Steuer selbst in die Hand nimmt, wirkt der Luxeed R7 gewöhnlich. Denn die Lenkung fühlt sich synthetisch an, wie es bei so manchen chinesischen Modellen der Fall ist. Zwei Batteriegrößen stehen zur Wahl: 82 und 100 Kilowattstunden, wie bei unserem Modell. Dank der 800-Volt-Architektur lädt der R7 am Schnelllader in 15 Minuten Reichweite für rund 400 Kilometer nach. Zur maximalen Ladeleistung macht der Hersteller noch keine Angaben. Der Luxeed R7 startet in China bei 249.800 RMB, das sind rund 31.600 Euro.








