Gemessen an durchschnittlichen Fahrleistungen pro Tag reichen selbst kleine E-Autos völlig aus. Doch selbst mehrere hundert Kilometer Radius können eine Sorge gerade deutscher Kunden nicht vertreiben: die Reichweitenangst. Kaum einer tut sich den Trip tatsächlich an – doch die meisten hätten nur zu gerne das Gefühl von jetzt auf gleich von Berlin an den Gardasee fahren zu können. Am liebsten nonstop.
Und so basteln die Hersteller ständig an noch mehr Kapazität, was zur Folge hat, dass die Akkus – und mit ihnen die Autos – immer noch schwerer werden. Aktuell führend: der Mercedes EQS. Der spannungsgeladene Bruder der S-Klasse schafft offiziell schon 784 Kilometer – die Studie EQXX soll nun sogar den vierstelligen Bereich erobern.

Der Prototyp zeige, wie man sich in Stuttgart die Zukunft des Elektroautos vorstellt, verkündet Daimler-Chef Ola Källenius in einer Mitteilung. Und zwar nicht so sehr mit Masse, sondern mit dem „effizientesten Mercedes aller Zeiten“. Nicht ein Mega-Akku soll die Lösung sein, sondern Material und Aerodynamik. Während Konkurrenz-Modelle wie der Nio ET5 einen Stromspeicher mit 150 kWh ankündigt, bescheiden sie sich bei Mercedes mit 100 kWh. Innen jedoch soll der große Unterschied warten: Mit den Erkenntnissen aus Formel 1 und Formel E setzen die Schwaben auf eine neue Zellstruktur, bessere Chemie und eine Verpackung aus Karbon statt Aluminium.
Am Ende steht ein Akku, der laut Daimler mit der Hälfte an Bauraum auskommt – und einem Drittel weniger Gewicht. Geeignet auch fĂĽr die nächste Generation des Kleinwagens EQA. Die Batterie soll den 150 kW starken Motor auf maximal Tempo 140 bringen. Und das mit „Effizienz auf einem völlig neuen Niveau“, heiĂźt es. Den Durchschnittsverbrauch je 100 Kilometer gibt Daimler mit 10 kWh an. Das ist weniger als bei aktuellen Kleinstwagen – und nur etwa halb so viel wie beim EQS.

Einen Teil dieser Effizienz sieht man dem Auto an. Der silberne Prototyp gilt mit einem cw-Wert von 0,17 als strömungsgünstigstes Serienauto der Welt. Besonders fällt das lange Heck mit der betont späten Abrisskante auf – ergänzt um einen ausfahrbaren Bodenspoiler. Vieles aber versteckt sich unter der windschlüpfigen Hülle. So verspricht Mercedes geringes Gewicht durch Teile aus dem 3D-Drucker, ein rein elektrisches Fahrwerk sowie Solar-Paneele im Dach für 25 Kilometer Extra-Reichweite – vor allem aber einen Rekord-Wirkungsgrad. An den Rädern sollen 95 Prozent der Energie aus der Batterie ankommen.
Quelle: Mercedes-Benz – Pressemitteilung vom 3. Januar 2022
Dazu möchte ich meinen Lieblingsingenieur zitieren: „Prototyps are easy” ;-)
Einfach nur beeindruckend! cw 0,17 plus niedrigem Gewicht plus 900V plus optimiertem Thermomanagement. Die deutschen Ingenieure ĂĽbernehmen. Ăśbrigens ist in diesem Entwurf sehr viel Taycan zu erkennen. Was nicht verwundert, weil er das Elektroauto zum schnellfahren ist.
Das Klagen über größere Akkus erschließt sich mir nicht. Natürlich werden bei der Herstellung mehr Ressourcen benötigt und der Wagen wird schwerer. Aber es gibt auch einen deutlichen Pluspunkt: Länge Lebenszeit bzw. mehr km pro Batterie, weil (bei ähnlichem Fahrzeugverbrauch) ein großer 100kWh-Akku z.B. für 300.000km weniger Zyklen verbraucht, als ein 35kWh-Akku. Weil Schnellladen z.B. mit 100kW für einen 100kWh-Akku eine ganz andere C-Rate bedeutet, als für einen 35kWh-Akku. Weil Schnellladen bei einem 100kWh-Akku seltener notwendig ist, als bei einem 35kWh-Akku (denn die Situationen sind seltener, bei denen man ein Schnellladen im Alltagsgebrauch wirklich benötigt).
Am Ende muss man sich entscheiden, ob man fĂĽr 300.000km einen 100kWh-Akku (inkl. dem drumherum um die Zellen) „verbraucht“ (der anschlieĂźend noch ein langes Second-Life haben kann), oder einen (oder zwei?) 35kWh-Akku (jeweils inkl. dem drumherum um die Zellen). Und weil z.B. eine dreifache Akkugröße in einem Fahrzeug eben nicht auch einen dreifachen Verbrauch im Fahrbetrieb bedeutet.
Auch wenn eine 100-kWh-Batterie in Zukunft kleiner und gĂĽnstiger wird – wir können nicht alle E-Autos mit kWh voll stopfen, denn es mĂĽssen die Fahrzeuge weltweit vom Verbrenner weg und deshalb mĂĽssen sehr viele Fahrzeuge mit wenig kWh auskommen, z.B. kleine E-Stadtautos mit 5-10 kWh oder noch besser ĂĽberdachte Pedelecs auf Radstrassen als Autoalternative mit nur 0,5-1 kWh.
Das Thema Akku ist noch lange nicht ausgereizt. Bisher wurden erst ca. 5% aller denkbaren Materialpaarungen systematisch untersucht (Quelle ETH ZĂĽrich). Ausserdem kann man die Entwicklung der letzten 5 Jahre sinngemäss fĂĽr einen „elevator pitch“ so zusammenfassen:
1% weniger Kosten, 1% weniger Gewicht, 1% mehr Kapazität, 1% mehr Zyklusstabilität – pro Monat (Quelle: Lars Thomson – Future matters).
Das können sich dann auch einfache Geister wie CEO’s leichter merken.