In Sachen Elektrifizierung kam Ford lange Zeit nicht recht auf Touren. Man mochte sich im Konzern nicht recht erwärmen für Antriebe jenseits von Brennräumen. Jetzt aber soll alles ganz schnell gehen: Ab 2026 verspricht Ford für alle Pkw-Baureihen mindestens eine E-Version oder ein Plug-In-Modell. Und ab 2030 werden alle Modelle in Europa ausschließlich elektrisch fahren. Zu diesem Zweck investiert Ford eine Milliarde Dollar in die Modernisierung des Standortes Köln. Ab 2023 rollt dort – basierend auf der MEB-Plattform von VW – das erste elektrische Massenmodell vom Band.
Zuerst aber soll der Funke mit dem Mustang Mach-E überspringen. Der Name täuscht ein wenig, weil Fords erstes E-Auto kein reinrassiger Sportwagen ist, sondern Züge eines SUV trägt. Zwar erinnern die Rückleuchten ebenso an das Original wie die wuchtige Fronthaube und die dicken Backen, am Heck allerdings mussten die Designer zu einem – zugegeben schicken – Trick greifen: Weil Dachkante und Spoiler ebenso in Schwarz gehalten sind wie die Schweller, wirkt der Mach-E in der Seitenansicht fast wie ein Coupé.
Im Inneren des 4,70 Meter langen Akku-Mustang herrscht reichlich Raum. Das Cockpit ist einem flachen Monitor gewichen, und nebenan schwebt – hochkant wie im Tesla – ein gewaltiger Touchscreen mit 15,5 Zoll. Weil gleichzeitig auch das neue Infotainment-System Sync4 Einzug hält, ist der Stromer ständig online und lässt sich erstmals bei Ford via Internet aktualisieren. Wer mag, kann den Innenraum über ein Sound-System mit 560 Watt beschallen.
Der Zugang indes eröffnet sich ungewohnt: per Drucktaster an der B-Säule und fummeligem Fingerhaken oberhalb des Türblechs. Vorteil der Technik: Man kann den Schlüssel zuhause lassen und über das Smartphone entriegeln – oder einen Zahlencode in die B-Säule tippen. Der Hebel innen allerdings sitzt weit hinten und reichlich versteckt in der Verkleidung.
Auch in zweiter Reihe hat’s der Passagier kommod, um eine Verbeugung vor dem schnittigen Türausschnitt kommt er allerdings nicht herum. Hinter die große Heckklappe packt der Mach-E 400 Liter, bei umgeklappten Rücksitzen sogar 1,4 Kubikmeter. Wo bei Verbrennern üblicherweise der Motor sitzt, glänzt der Mustang mit einem 100 Liter fassenden Front-Kofferraum namens „Frunk“. Pfiffiges Detail: Wie beim Puma ist das Ding aus Kunststoff und dank eines Stöpsels im Boden auch auswaschbar. Ein idealer Platz also für dreckiges Schuhwerk oder das regennasse Ladekabel.
Bei Kraft und Weg hat man die Wahl. Es gibt Heck- und Allradantrieb sowie zwei Akkus mit Netto-Kapazitäten von 68 und 88 kWh. Daraus ergeben sich Leistungen von 198 kW (269 PS) und 216 kW (294 PS) für die achtern mobilisierten Modelle sowie 198 kW (269 PS) und 258 kW (351 PS) bei Doppel-Motorisierung. Je nach Kombination schwankt auch der Radius: Von 400 Kilometern (WLTP) bei 4WD und kleiner Batterie bis 610 Kilometer bei Heckantrieb und großem Speicher.
In diesem Portfolio findet der ambitionierte Flottfahrer ebenso sein Modell wie der sparfüchsige Reichweiten-Fan. Was natürlich immer auch eine Frage des Budgets ist. Los geht’s bei 46.900 Euro – minus der vollen Förderung von 9000 Euro. Am oberen Ende ruft Ford dann schon 62.900 Euro auf – und der Staat gibt nur mehr 7500 Euro dazu.
Nur vor dem Tacho sind am Ende alle gleich: Bei 180 endet der Vortrieb. Und wie stets gilt Buch eins der Batterie-Bibel: Dynamik und Distanz gehen nicht zusammen. Kleiner Trost: Beim Standard-Spurt liegen zwischen Sieger (5,8 Sekunden) und Platz vier (7,0 Sekunden) wahrlich keine Welten. Selbstverständlich hält der Mach-E Spur, Tempo und Abstand, späht in tote Winkel, erkennt auch Fußgänger und Radfahrer und wirft zur Not den Anker. Und auf Knopfdruck parkt er sogar ein und wieder aus.
Richtig gut punkten kann der Mustang beim Handling. Die Abstimmung schafft einen höchst gelungenen Mix aus viel Sportlichkeit und einem auskömmlichen Rest an Komfort. Gepaart mit sehr präziser Lenkung und leicht drängendem Heck gerät gelegentlicher Galopp trotz 2,2 Tonnen zum kleinen Vergnügen zwischendurch. Im Modus „Temperamentvoll“ kommt sogar noch synthetischer Sound aus acht Zylindern dazu. Und so ganz ohne Auslauf wäre die Haltung eines Wildpferdes ja nicht artgerecht…
Gut gelöst ist die Rekuperation. Mit zweimal Tastendruck lässt sich die One-Pedal-Funktion aktivieren, die auch tatsächlich bis zum Stillstand funktioniert. So oder so unterstützt die Funktion „Intelligent Range“. Sie ist mit dem bordeigenen Navi vernetzt und erlaubt eine präzise Berechnung der tatsächlichen Reichweite. Dabei bezieht das System die frühere Fahrweise ein, aber auch externe Faktoren wie das Wetter. Dazu gibt’s in Echtzeit Infos zu verfügbaren Ladesäulen und aktuellen Strompreisen.
Irgendwann aber ist selbst der stärkste Akku leer. An einer Wallbox (11 kW) dauert die Füllung von zehn auf 80 Prozent rund sechs Stunden, an der üblichen Steckdose etwa zweieinhalb Mal so lange. Wer’s eilig hat und ein freies Plätzchen findet – an einer 150-kW-Säule lässt sich in zehn Minuten Saft für rund 120 Kilometer ziehen.
Das FordPass Connect-Modem4 und die FordPass-App gewähren fünf Jahre lang freien Zugang zum FordPass-Charging Network. Damit lassen sich mittlerweile über 165.000 Ladepunkte in 21 europäischen Ländern finden, per Navi ansteuern – und bezahlen klappt auch. Ein Jahr ab Kauf eines Mach-E ist zudem der Zugang zum Ionity-Schnell-Ladenetz gratis – und der Tarif in Deutschland ermäßigt. Anstatt der üblichen 79 Cent pro Kilowattstunde werden nur 31 Cent fällig.
Wem das alles nicht Spannung genug ist – Ende des Jahres setzt Ford noch einen drauf: den Mach-E GT. Das High-Performance-Modell haut 358 kW (487 PS) und noch beeindruckendere 860 Nm Drehmoment in den Allradstrang und drückt den Fahrer in 3,7 Sekunden auf Tempo 100. Die Beschleunigung wie mit dem Katapult ließ sich bei einer kurzen Testfahrt schon genießen – und dass Fords Super-Stromer die versprochenen 200 Stundenkilometer abliefert, glauben wir mal einfach so.