Das Wetteifern um schnellere Batterieladezeiten nimmt mittlerweile olympische Züge. Frei nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Meldung eines neuen Laderekords, der das ultraschnelle Befüllen der Akkus verspricht, die Runde. Doch die Lösung für schnelles Stromtanken könnte aus einer ganz anderen Ecke kommen. Wechselakkus erleben derzeit eine Renaissance, die sie zur validen Alternative für die konventionellen Ladesäulen machen.
Die Vorteile klingen verheißungsvoll: In wenigen Minuten ist das Fahrzeug wieder voll einsatzbereit. Das bedeutet ein Ende der langen Schlangen vor den Ladesäulen. Auch die chinesische Regierung hat die Vorzüge dieses Systems erkannt und treibt die Technik voran, indem sie ein Pilotprojekt ins Leben gerufen hat, das mehr als 1.000 Batteriewechselstation vorsieht. Wichtig ist vor allem, dass mit diesem Unterfangen auch dem Technologie-Wildwuchs ein Ende bereitet wird und ein Standard eingeführt werden soll.
NIO: Chinas Vorreiter beim Akku-Tausch kommt nach Europa
Zumal die Kinderkrankheiten, die das Better-Place-Konzept des Wechselakku-Pioniers Shai Agassi zum Scheitern gebracht haben, mittlerweile ausgeräumt sind. Da geht es vor allem um Kosten und um Zuverlässigkeit. Zum Beispiel hebt der chinesische Autobauer NIO die Autos zum Austausch der Batterien an, um sie so perfekt auszutarieren und einen schnellen Wechsel der Energiespeicher zu ermöglichen.
Jetzt will NIO gemeinsam mit dem Tankstellenriesen Shell mit dieser Idee Europa erobern. Aber auch andere Akteure, wie InfraMobility-Dianba, ein 2019 gegründetes 50:50-Joint Venture, zwischen dem deutschen Unternehmen InfraMobility und den chinesischen Akku-Wechsel-Experten Aulton Dianba, wollen sich ein großes Stück von dem Batterietauschkuchen sichern. Ganz aus dem Blauen heraus tritt diese Kombination nicht in den Wettbewerb mit NIO ein: Aulton Dianba entwickelt schon länger ein Batterietausch-System, das typenoffen ist.
Aulton Dianba betreibt aktuell gut 610 Stationen, bei denen bereits über 26 Millionen Batteriewechsel in 36 Städten durchgeführt wurden. Angeblich sollen bereits 14 chinesischen Automobilhersteller, darunter mit SAIC (VW) und BAIC (Mercedes) auch zwei Partner deutscher Autobauer, mit diesem Konzept arbeiten. Außerdem will der chinesische Mineralölkonzern Sinopec 30.000 Tankstellen mit Aulton—Dianba-Wechselstationen ausstatten. Auch das französische Mineralölunternehmen TotalEnergies SE hat mit den Newcomern ein Memorandum of Unterstanding unterschrieben, bei dem es auch darum geht, geeignete strategische Partner zu gewinnen.
Expertise ist also vorhanden. Ebenso bei NIO. Der chinesische Automobilhersteller hat unlängst seinen 12-millionsten Akkuwechsel gefeiert. Alleine in China sind bereits rund 1.100 Akkutauschstationen in Betrieb. Bis 2025 will NIO weltweit 4.000 Wechselstationen installieren, davon 1.000 außerhalb Chinas, unter anderem in Deutschland. Die erste wurde beim Ladepark in Zusmarshausen (Sortimo Innovationspark) nahe Augsburg eröffnet. Auch in Berlin sollen Elektroautos mit vollen Energiepaketen versehen werden. Die bundesdeutsche Hauptstadt entwickelt sich ohnehin zu einem Zentrum der Batteriewechseltechnik, denn InfraMobility-Dianba betreibt schon seit 2019 in Berlin-Westhafen eine Pilot-Tauschstation. In Folge der erwähnten Übereinkunft mit TotalEnergies wird jetzt auch am Berliner Flughafen eine Wechselstation erbaut.
Die Wechsel-Geschwindigkeit entscheidet
Ein entscheidendes Kriterium ist die Geschwindigkeit: NIO tauscht die Akkus innerhalb von vier bis fünf Minuten und nutzt dafür ein Schraubensystem. Der chinesische Autobauer entwickelt seine Wechselstationen ständig weiter, sodass auch die Dauer des Akkutausches weiter sinken wird. Aktuell laut NIO bis zu 321 Wechsel pro Tag möglich. InfraMobility setzt bei der Batteriewechselstation 4.0 auf ein Einklinksystem, bei dem die die neue Batterie durch zwei synchronisierte Roboterarme ersetzt wird. So soll der Tausch in 20 Sekunden vollzogen sein. Läuft alles ideal und ist die Anlage genügend groß, sind so bis zu 1.000 Wechsel drin. Ein weiterer Vorteil: Die Akkus befinden sich in einem Universalgehäuse, in das verschiedene Batterietypen eingebettet werden können.
Die Kapazität der Tausch-Akkus beträgt bei InfraMobility 40 bis 80 Kilowattstunden. In einer Station sind 60 Batterien untergebracht. Aufgrund der hohen Wechselfrequenz beginnt das Laden sofort nach dem Tausch, womit sich der Durchsatz einer Wechselstation auf 50 MWh pro Tag summiert. Das „Füllen“ der Batterie verläuft angeblich sehr schonend und ist in maximal zwei Stunden abgeschlossen. Bei der Batteriewechselstation am Berliner Flughafen mit 465 Wechseln pro Tag ist eine Anschlussleistung (Scheinleistung S) von 1.230 kVA und ein 400 V Drei-Phasen-Drehstrom-Industrieanschluss mit Parallelschaltung vorgesehen.
Eine NIO „Powerswap-Station“ benötigt den Raum von vier Automobilparkplätzen und eine Anschlussleistung von 550 kVA bis 1.250 kVA. Bei den Wechselstationen des chinesischen Autobauers sind es momentan 13 Batterien mit einer Kapazität von bis zu 100 kWh. Weitere Ausbaustufen seien in Planung. Der Ladezustand der Batterie (SoC) liegt bei den NIO-Wechselakkus in der Regel bei über 90 Prozent. Im Sinne der langfristigen „Batteriegesundheit“ empfehlen die Experten des Automobilherstellers nur bei langen Fahrten die Energiespeicher auf 100 Prozent aufzuladen.
Aus dem Artikel:
Was für eine Schnapsidee!: Da sollen (möglichst) weltweit große Stückzahlen produzierende Auto-Firmen ihr teures Knowhow bei der Akku-Entwicklung, Akku-Integration, Akku-Ladungs-/Entladungssteuerung, Akku-Temperatursteuerung (uswusf.) aufgeben und sich z.B. einem chinesischen Standard auf Gedeih und Verderb anschliessen … nie und nimmer!
Auch sehe ich da bislang kein EU-/US-Startup – die sind noch am ehesten in der Versuchung – sich z.B. NIO anzuschliessen … InfraMobility wohl auch eher nicht.
BTW: China befinet sich mit zunehmender Unterstützung Rußlands im übrigen nur „millimeterweit“ von Embargomaßnahmen entfernt – auch wenn es die bisher immer gerade noch vermieden hat …
Generell: Schon die Wahl des Wortes „Technologie-Wildwuchs“ sagt mir, dass ich den Artikel nicht ernstnehmen kann.
Hallo! Schön langsam solltet Ihr eure Daten zu Nio auf den aktuellen Stand bringen. Mit 10.9. wurde die 1100te Swap Station in Betrieb genommen. Auch der 12 millionste Tausch ist bereits Vergangenheit. Die erste Station in Deutschland steht bereits und zwar beim Ladepark in Zusmarshausen (Sortimo Innovationspark) nahe Augsburg.
BG
Ich denke, die Zeit für den Akkuwechsel ist nicht so entscheidend. Sondern, das System muss gegenüber dem Laden deutliche Vorteile haben.
Beim täglichen Fahrten um den Wohnort hat es überhaupt keine Vorteile. Da können viele zu Hause laden oder beim einkaufen oder auf der Arbeit. Und perspektivisch werden immer mehr Wohnanlagen Lademöglichkeiten haben.
Der Vorteil muss auf Langstrecken realisiert werden. Heißt, da muss ein Netz auf allen Autobahnen vorhanden sein, und zwar auf Raststätten. Nur dann verliert man nur 5 Minuten. Muss man abfahren, wie zu den Tesla-Stalls, sind es schon 10 Minuten. Und es muss ein Vorbuchungstool mit Echtzeitverkehrsinfo geben, damit dann ein freier Slot verfügbar ist, wenn man ankommt. Und selbst wenn es das gibt, muss so viel Kapazität vorgehalten werden, dass eine Wartezeit möglichst nicht auftritt.
Das klingt nach immensen Investitionen. Aktuell führt der Taycan mit einer Ladezeit von 18 Minuten auf 80%. Und die Lader sind bereits zum guten Teil auf Raststätten. Gäbe es eine Akkuwechseloption, wäre mir die jetzt schon keinen Aufpreis wert. Und Zellen und Autos werden besser, noch im CCS-Standard wären Ladezeiten unter 10 Minuten möglich.
Das wird also komplett scheitern und ich rede nicht davon, dass aktuell der Wechsel in der Praxis so lange wie der Ladevorgang dauert, ich rede nicht davon, dass man aktuell während der Wechselzeit nicht aus dem Auto aussteigen darf, ich rede nicht davon, dass es gar kein Netz an Wechselstationen gibt und ich rede nicht davon, dass man aktuell keine auf 100 % voll geladenen Akkus zurückbekommt, sondern auf 90 % geladene.
NIO sollte sich zuerst auf die Autos und deren Export fixieren, bevor dann mit den Akkuwechselstationen, die ja vielleicht vom Konsumenten gar nicht gewünscht sind. Haben die schon Marktforschung gemacht, ich hoffe es und drücke der Marke NIO die Daumen, denn das Produkt sonst scheint auf dem Papier nicht schlecht zu sein.
China und Russland sowie der Iran rücken enger zusammen, da braut sich etwas zusammen, es ist also wahrscheinlicher geworden, dass China bald auf der Sanktionsliste stehen wird und NIO in Europa den Laden schliessen muss. Wechselakkus sehe ich eher bei Pedelecs, L6e- und L7e-Fahrzeugen.
:-)
so langsam werden die nervös, die immer alles besser wissen, bei denen neue Ideen nichts bringen oder zu teuer sind oder oder
@ Daniel W.:
Ja, jedenfalls überall da, wo die Akkus händisch – also z.B. auch zuhause/in der Firma/zwischen eigenen Fahrzeugen/o.ä. – gewechselt werden können und damit eben nicht auf das (ggf. kilometerweite) Anfahren einer besonderen, maschinellen Wechselstation angewiesen sind!
Das erlaubt nebenbei auch enorme Freiheiten bei der Unterbringung im Fahrzeug.
Ich glaube nicht an die Zukunft von Wechsel-Akkus bei PKW. Vielleicht ist es für LKWs eine sinnvolle Lösung.
Wie wird der Preis bei Wechsel-Akkus bemessen? Die verbrauchten Akkus sind ja nicht leer. Berechnungsgrundlage müsste demnach die Speicher-Differenz der beiden Akkus in KWh sein? Wie hoch ist der Preis für eine KWh im Vergleich zu den Ladestationen?
Wenn ich die Kommentare hier lese kann ich nur sagen, dass keiner von den Kritiker jemals ein Auto mit einem Wechselakku gefahren hat.
Ein andere Teil der Kritiker liest sich wie Handlanger der Verbrenner und Wassserstoff-Lobby.
Die Wechselstationen von Nio sind in China mittlerweile so ausgebaut, dass man auf den Hauptverbindungswegen nur mit Akkutausch fahren kann.
Der große Nachteil bei Nio ist halt das zusammenrücken bzw. das auseinader treiben in politischen Fragen. Hier wird sich aber China nicht selber in eine Sitution bringen wie es andere getan haben.