Die Automobilhersteller halten den Verkauf von Elektroautos und treibstoffsparende Upgrades ihrer meistverkauften Modelle in Europa zurück, wie neue Forschungsergebnisse der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) zeigen. Fast alle Hersteller werden demnach trotz gegensätzlich lautender Bedenken die CO2-Limits der EU im Jahr 2021 durch eine Kombination aus dem Verkauf treibstoffeffizienterer Fahrzeuge und Plug-in-Hybriden sowie Elektroautos erfüllen.
Die CO2-Emissionen aus dem Verkehr sind der Studie zufolge EU-weit seit 1990 um ein Viertel angestiegen und haben heute mit 27 Prozent den größten Anteil an den gesamten Treibhausgasen der EU. Den größten Anteil an den CO2-Emissionen aus dem Verkehr hat der Pkw-Verkehr. Obwohl seit 2009 Schritt für Schritt immer schärfere CO2-Vorgaben für Neuwagen gelten, stagniert der tatsächliche durchschnittliche Treibhausgasausstoß der Neuwagen seit Jahren. Der Grund dafür ist laut der Studie von T&E, dass der Anteil von großen, leistungsstarken und schweren SUVs an verkauften Neuwagen immer weiter zunimmt – auch mithilfe der aggressiven Werbung der Autohersteller. Die Studie zeigt darüber hinaus, dass die Abweichungen zwischen dem realen Spritverbrauch und den Herstellerangaben immer weiter ansteigen.
„Die T&E-Studie zeigt schonungslos das Geschäftsmodell der Autoindustrie: Sie erzielt hohe Renditen mit Spritfressern, trickst bei Umweltvorgaben und schwächt diese zudem über willfährige Regierungen ab. Nicht zuletzt der Abgasskandal ist ein Beleg dafür. Die neue Bundesregierung muss diesem Treiben der Autoindustrie endlich ein Ende setzen. Betrügereien der Autohersteller müssen bestraft werden.“ Michael Müller-Görnert, Verkehrsreferent des ökologischen Verkehrsclubs VCD
Die T&E-Studie zeigt, dass die Autohersteller vor allem mit SUVs hohe Margen erzielen, die inzwischen europaweit den höchsten Anteil an den Neuzulassungen stellen. Auch in Deutschland ist mittlerweile jeder vierte Neuwagen ein SUV – Tendenz steigend. Statt den höheren Spritverbrauch dieser schweren Fahrzeuge durch effiziente Technik zu kompensieren, optimieren die Autohersteller sie vielmehr für die Verbrauchstest, um besonders niedrige Werte zu erzielen. Die Folge: In den letzten Jahren ist die Kluft zwischen Herstellerangaben und dem tatsächlichen Verbrauch immer weiter auseinandergegangen. Im Jahr 2001 verbrauchte ein Pkw im Schnitt acht Prozent mehr Sprit als von den Herstellern angegeben, im Jahr 2016 waren es 42 Prozent.
Der VCD fordert, dass auch die Folgeregelung für CO2-Grenzwerte für die Zeit nach 2021 korrigiert werden muss, wenn die EU und die Mitgliedsstaaten ihre Klimaziele einhalten wollen. Auch der Klimaschutzplan der Bundesregierung gibt für 2030 eine ambitionierte CO2-Minderung für den Verkehrssektor vor. Laut jüngstem Vorschlag der EU-Kommission soll der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen lediglich um 15 Prozent bis 2025 und 30 Prozent bis 2030 sinken. Der Vorschlag reicht bei weitem nicht aus, die Klimaziele zu erreichen. Aus Sicht des VCD werde eine Minderung von mindestens 60 bis 70 Prozent bis 2030 benötigt, auch um den raschen Wechsel hin zu emissionsfreien Antrieben zu forcieren. Hier muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, den EU-Vorschlag nachzuschärfen.
Täuschung als Taktik?
Nur sechs der 50 meistverkauften Modelle in Europa erhielten im Jahr 2017 ein komplettes Modellupgrade, so die Studie. Dies sowie das Zurückhalten alternativer Antriebe wie Plug-in-Hybride und Elektroautos habe zweifelsohne auch dazu beigetragen, dass im vergangenen Jahr keine Fortschritte bei der CO2-Reduzierung erzielt wurden.
Nur vier der meistverkauften 50 Modelle sollen bis Ende dieses Jahres als neue Generation aufgerüstet werden, gefolgt von 14 im Jahr 2019 und sieben im Jahr 2020. T & E zufolge seien sieben Upgrades pro Jahr typisch für die Top 50 der meist verkauften Modelle. Diese Taktik, so lange wie möglich alte Modelle weiter zu verkaufen, mache deutlich, dass Autohersteller ihre Gewinne optimieren wollen und versuchen, die Regulierungsbehörden zu täuschen: Sie gaukeln vor, dass sie die CO2-Ziele für 2021 nicht erreichen werden, während die EU bereits über neue Ziele für 2025 verhandelt, so der Vorwurf von T&E.
Der Preis dafür werde zum einen von Autokäufern bezahlt, für die noch keine treibstoffsparenden Modelle verfügbar sind, zum anderen von unserem Planeten, da die CO2-Emissionen von Autos weiter steigen.
„Autohersteller sind schamlos und geben vor, dass sie ihre CO2-Ziele nicht erreichen können. Gleichzeitig werfen sie mehr und mehr ineffiziente Hochleistungs-SUVs auf den Markt, um ihre Profite zu maximieren. Dadurch steigen die CO2-Emissionen und ihre Kunden werden mit höheren Kraftstoffkosten konfrontiert. Aber die Realität ist, dass fast alle Autohersteller in Europa ihre Ziele erreichen und Bußgelder vermeiden werden.“ – Greg Archer, Abteilungsleiter Saubere Fahrzeuge bei T&E
Die Strategie der Hersteller, die Ziele für 2021 zu erfüllen, sehe vor, den Absatz von batterieelektrischen und Plug-in-Hybridfahrzeugen erst in ein paar Jahren deutlich zu erhöhen, dies werde auch deren Marktanteil in Europa bis 2021 voraussichtlich auf 5 bis 7 Prozent steigern, so der Bericht. Die Analyse zeigt aber auch, dass Autohersteller die Einführung neuer Elektrofahrzeuge bis zum letzten Moment zurückhalten. Derzeit gibt es nur gut zwei Dutzend batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, aber bis 2021 wird erwartet, dass ihre Zahl auf über 100 steigen werde, sollten die Unternehmen ihre vollmundigen Ankündigungen auch einhalten.
Quelle: Transport & Environment – Pressemeldung vom 9.04.2018 // VCD – Pressemeldung vom 10.04.2018