Was hilft gegen Reichweitenangst? Nicht immer größere Batterien, sondern eine bessere Ladeinfrastruktur und die 800-Volt-Ladetechnologie, wenn es nach Otmar Scharrer geht. Er verantwortet beim Zuliefertechnologiekonzern ZF die Entwicklung der E-Antriebe und ist ein bekennender Plug-in-Hybrid-Fan.
Die ZF Friedrichshafen AG liefert Komponenten für die emissionsfreie Mobilität, darunter Getriebe, Sicherheitssysteme und autonome Shuttles. Otmar Scharrer verantwortet den Entwicklungsbereich für E-Antriebe und sieht im Ausbau der Ladeinfrastruktur einen Schlüssel für die Attraktivität der Elektromobilität. „Hätten wir eine bessere Infrastruktur, hätten wir keine Reichweitendiskussion„, so der Manager im Interview mit der Autogazette. ZF arbeite deshalb auch mit Nachdruck an der 800-Volt-Batteriearchitektur. Schon ab 2024 soll das Portfolio von ZF vorwiegend 800-Volt-Architekturen aufweisen, auch für das Kompakt-Klassen-Segment. Durch die deutlich schnellere Ladung, die die Technologie im Vergleich zu herkömmlichen 400-Volt-Systemen ermöglicht, könne man die Batteriekapazitäten reduzieren und damit viel Gewicht und Geld sparen. Batteriegrößen um die 50 Kilowattstunden würden dann ausreichen.
Im Lichte der aktuellen Diskussion über die Technologiefreiheit in Europa ab 2035 hält Scharrer fest, dass E-Fuels eine wichtige Ergänzung zur Erreichung der Klimaziele der EU seien. Allerdings wäre es „Stand heute nicht möglich, einen nennenswerten Anteil des benötigten Kraftstoffes durch E-Fuels zu ersetzen„. Es gäbe einfach viel zu wenig Produktionsanlagen, für die erforderliche Infrastruktur müsste man allein in Deutschland einen dreistelligen Milliardenbetrag investieren. Prädestiniert wären die E-Fuels allerdings für den Flugverkehr, da sie hier die einzige Möglichkeit wären, ihn in der jetzigen Form beizubehalten.
Eine Lanze bricht Scharrer für den oft verteufelten Plug-in-Hybrid-Antrieb. Wenn man diesen konsequent nutze, ließen sich die versprochenen Verbrauchsreduktionen auch tatsächlich erreichen. Es liege aber beim Nutzer selbst, ob er den elektrischen Antriebsteil auch nutzt, wenn es möglich ist. Vor allem in der Stadt hätte der PHEV viele Vorteile – rein elektrische Fahrten bedeuten weniger verschmutzte Luft und weniger Lärm. Bei neuen Plug-in-Hybriden sind bereits elektrische Reichweiten von 80 bis 100 Kilometer möglich. Da 80 Prozent der gefahrenen Strecken unter 50 Kilometer liegen, könne man damit die meiste Zeit elektrisch fahren – auch mit einer kleineren Batterie. Dennoch sieht Scharrer für den Plug-in-Hybrid weltweit auch langfristig nicht mehr als fünf Prozent Marktanteil, hingegen 50 Prozent für den vollelektrischen Antrieb.
Viel Potential sieht Scharrer in der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen – ob mit Batterie oder Brennstoffzelle. Vor allem kommunale Nutzfahrzeuge würden mühelos einen ganzen Tag mit einer Batterieladung auskommen. Die Brennstoffzelle würde eher im Schwerlastverkehr ihre Berechtigung haben, so Scharrer.
Quelle: Autogazette – „Eigentlich reicht eine Batteriegröße von 50 kWh“