Viele aktuelle Elektroautos kommen gegenwärtig mit einer Möglichkeit zum ultraschnellen Laden mit mehr als 100 kW Ladeleistung auf den Markt. Der Wettbewerbsvergleich verschiedener E-Autos wird dabei oft vereinfacht über die maximale Ladeleistung in Kilowatt dargestellt. Der P3 Charging Index (P3CI) der eMobility-Beratung P3 Automotive zeigt, dass dieser Wert allein wenig Aussagekraft besitzt, um die reale Ladegeschwindigkeit bewerten zu können.
In der Praxis ist vielmehr die Zeit, in der echte Reichweite – also eine konkrete Zahl an Kilometern – nachgeladen werden kann, eine entscheidende Kenngröße für den Nutzer, um E-Autos miteinander vergleichen zu können. Bereits Ende 2019 hat P3 Automotive mit dem „P3 Charging Index“ einen Maßstab definiert, der einen nutzungsbezogenen und realitätsnahen Vergleich der Schnellladeleistung von Elektroautos ermöglichen soll.
Im Vergleich zur ersten Ausgabe 2019 hat sich der P3 Charging Index mit dem Fahrzeugmarkt weiterentwickelt und berücksichtigt im vorliegenden Update zusätzlich das Feedback von E-Fahrern. Hervorzuheben sei dabei insbesondere die Ausweitung des Ladefensters – auch aufgrund steigender Batteriegrößen, insbesondere für langstrecken-taugliche Elektrofahrzeuge. Daher wird nun das SoC-Fenster (State of Charge) von 10 bis 80 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Batteriekapazität berücksichtigt. Ergänzt wird dieser Wert um den Batterieladestand nach 20 Minuten Ladedauer, um so auf Basis vom Argument der Langstreckentauglichkeit eine Bewertung vornehmen zu können. Außerdem haben im P3CI verschiedene Fahrzeuge hinsichtlich ihrer Ladekurven Updates erfahren, da das Tesla Model 3, der VW ID.3 oder auch der Porsche Taycan einer erneuten Bewertung unterzogen wurden.
Die maximale Ladeleistung allein ist kein ausreichender Indikator
Die maximale Ladeleistung (in Kilowatt) von E-Autos wird nur unter idealen Bedingungen erreicht und bedingt zum Beispiel, dass das Fahrzeug u.a. einen relativ niedrigen Batteriefüllstand aufweist. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, wird in vielen Berichten, Vergleichen und Reviews mittlerweile auch die durchschnittliche Ladeleistung in einem festgelegten Ladebereich der Batterie angegeben.
Während die erste Ausgabe des P3CI diesen idealen Ladebereich 1:1 nachgebildet hat, wurde im Rahmen der aktuellen Ausgabe die untere Schranke auf zehn Prozent herabgesetzt, sodass nun der Bereich von zehn bis 80 Prozent berücksichtigt wird. Mit der Herabsetzung des State of Charge wird sowohl der technologischen Weiterentwicklung der Fahrzeuge Rechnung getragen, wie auch der positiven Entwicklung im Bereich des Ausbaus der Schnellladeinfrastruktur, die dem Kunden zusätzliche Potentiale für Langstreckenfahrten gibt und es zusätzlich gewährleistet, dass eine geringere Restreichweite beim Stopp an der Ladestation vorgehalten wird
Ein Vergleich der Ladeleistung der unterschiedlichen Fahrzeuge zeigt, dass die jeweils möglichen maximalen Ladeleistungen nur für einige Minuten während des Ladevorgangs erreicht werden – dabei variiert die fahrzeugspezifische Performance relativ stark. Die Betrachtung der durchschnittlichen Ladeleistung ist in einem „Ladefenster“ von 10 bis 80 Prozent SoC deutlich repräsentativer, um die Ladegeschwindigkeit der Fahrzeuge miteinander zu vergleichen. Das macht auch der konkrete Vergleich ausgewählter Fahrzeuge deutlich:
- Der Porsche Taycan Turbo S mit 270 kW maximaler Ladeleistung (Herstellerangabe) erreicht im gewählten Ladefenster eine durchschnittliche Ladeleistung von 184 kW und liegt somit deutlich vor den anderen Fahrzeugen.
- Der Mercedes-Benz EQS hat anders als der Porsche Taycan keine 800 Volt Bordnetz Architektur, ermöglicht mit seiner hohen Batteriekapazität aber dennoch eine Spitzenleistung von mehr als 200 kW und einem Durchschnittswert von 164 kW.
- Der Audi e-tron liegt mit der maximalen Ladeleistung zwar deutlich darunter, kann diese allerdings nahezu über den gesamten betrachteten Zeitraum halten und erreicht im Durchschnitt eine Ladeleistung von 146 kW.
- Das Tesla Model 3 wird vom Hersteller mit einer maximalen Ladeleistung von etwa 250 kW an einem Supercharger Version 3 angegeben, erreicht jedoch im Schnitt nur eine Ladeleistung von 146 kW, da die Ladekurve innerhalb des Testfeldes stärker abfällt als die der weiteren Fahrzeuge.
Die Top 12 der ausgewerteten Fahrzeuge bietet zwischen 10 bis 80 Prozent SoC eine durchschnittliche Ladeleistung von mehr als 100 kW, wobei die Top 4 mit 146 kW aufwärts einen deutlichen Abstand zu den folgenden Fahrzeugen aufweist.
Auch Verbrauch und Ladedauer spielen eine wichtige Rolle
Allerdings zeigt sich aus Kundenperspektive ein anderes Bild, denn ein typischer, realer Ladevorgang orientiert sich für den Elektroauto Fahrer im Wesentlichen an zwei wichtigen Fragestellungen:
- Welche Reichweite wird benötigt, um zum nächsten Zielort zu kommen?
- Wie lange dauert der Ladevorgang, um diese Reichweite nachzuladen?
Die zweite Fragestellung bringt eine wichtige weitere Kenngröße in die Betrachtung ein, die in vielen Vergleichen bisher kaum berücksichtigt wurde: Der reale Verbrauch eines E-Autos, der einen unmittelbaren Einfluss auf die nachgeladene Reichweite hat. Die nachgeladene Energiemenge für eine gewisse Kilometerleistung wird direkt vom Verbrauch des Fahrzeugs beeinflusst. Daher führt die unmittelbare Einbeziehung des Verbrauchs dazu, dass deutlich realistischere und praxisnahe Vergleiche möglich werden.
Um möglichst realitätsnahe Verbräuche der einzelnen Elektroautos in die Kalkulation des P3 Charging Index einfließen zu lassen, wurde neben den jeweiligen WLTP Verbräuchen u.a. auch der ADAC Ecotest hinzugerechnet. Darüber hinaus wurde die Batteriekapazität in die Betrachtung integriert, um so neben den Verbräuchen auch die zur Verfügung stehende Energiemenge zu berücksichtigen. Mithilfe des Verbrauchs und der Ladekurven der Fahrzeuge lassen sich so die nachgeladenen Kilometer über die benötigte Ladezeit abbilden. Dies ermöglicht bereits eine genauere Bewertung des Ladeverhaltens der Fahrzeuge, ist aber noch nicht hinreichend, um ohne Normierung die E-Autos direkt miteinander vergleichen zu können, wie P3 Automotive mitteilt.
Der P3 Charging Index setzt daher diese Normierung der Elektroautos um. Der P3CI als Quotient aus real nachgeladener Reichweite in einem Zeitfenster von 20 Minuten zu einem Zielwert von 300 km definiert die Ladegeschwindigkeit der Fahrzeuge und führt zu einer höheren Vergleichbarkeit und damit zu mehr Transparenz in Bezug zur echten Alltagstauglichkeit der Elektromobilität auf der Langstrecke. Führt man das Ladeverhalten der Fahrzeuge mit den realitätsnahen Verbrauchswerten zusammen und normiert dieses Ladeverhalten, ergeben sich Vergleichswerte. Dieser Index soll gleichermaßen repräsentativ für eine uneingeschränkte Langstreckentauglichkeit der Fahrzeuge stehen.
Sollte ein Elektroauto im P3 Charging Index den Wert von 1,0 erreichen, so würde in der Praxis dieses Fahrzeug eine Fahrstrecke von 300 km in nur 20 Minuten nachladen können. In der Praxis könnte ein solches Fahrzeug mit nur einem Ladestopp von 20 Minuten eine Strecke von bis zu 600 km fahren (bei nahezu vollgeladener Batterie bei Fahrtbeginn). Diese Form der Normierung ist auch deshalb sehr praxisnah, weil in der Regel alle 250 bis 300 km ohnehin eine kurze Pause empfehlenswert ist.
Keines der derzeit im Markt verfügbaren Elektroautos erreicht den Wert 1,0. Immerhin liegen die Top 4 Fahrzeuge bereits auf sehr hohen Werten von 0,72 bis 0,88 des maximalen Langstreckennutzwertes. Zuvor war der Porsche Taycan mit 216 km das am schnellsten ladende Fahrzeug in 20 Minuten, nun verspricht der Mercedes-Benz EQS mit bis zu 266 km in 20 Minuten eine Steigerung um 50 km. Dies spiegelt sich auch in den Werten des P3CI wider, in dem der EQS mit 0,88 deutlich vor dem Tesla Model 3 (0,74) liegt und auch im Vergleich zur ersten Ausgabe des Vergleichs (Porsche Taycan mit 0,72) signifikant hinzugewonnen hat.
Neue Fahrzeuge, wie der Hyundai Ioniq 5, der Kia EV6 oder der Audi e-tron GT auf 800 Volt Bordnetz Architektur sind sehr vielversprechende Fahrzeuge, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Top 5 des P3 Charging Index einsortieren könnten. Sobald diese Fahrzeuge verfügbar sind, werde P3 entsprechende Messungen durchführen und die Fahrzeuge in den P3CI aufnehmen. Um zusätzliche Transparenz zu gewähren, sind die nachgeladenen Reichweiten für zehn Minuten ebenfalls dargestellt. Bei Berücksichtigung dieses Wertes nach zehn Minuten Ladezeit liegt das Tesla Model 3 Long Range mit 149 km vorne und zieht somit in dieser Kategorie am Mercedes-Benz EQS vorbei.
P3 Automotive will im kommenden Ausblick auch der Fülle an neuen Elektroautos Rechnung tragen. Daher sollen künftig unterschiedliche Fahrzeugklassen berücksichtigt werden, um die einzelnen Modelle noch besser vergleichen zu können.
Quelle: P3 Automotive – Pressemitteilung vom 26.04.2021