Auch ich habe noch bis vor Kurzem weder das E im Kennzeichen, noch die IONITY Ladesäulen an den Autobahnen wahrgenommen. E-Mobilität war für mich allenfalls Tesla. Aufgrund eines Projektes musste ich plötzlich alle 2 Wochen 1.000 km fahren und eines wollte ich nicht: diese Kilometerleistung mit einem Verbrenner zurücklegen. Über Recherchen zu einem Auto Abo, dem Anbieter FINN landete ich schließlich bei Polestar. Der Polestar 2 gefiel mir, wurde begeistert getestet und ist mit 2.500 bundesweiten Fahrzeugen immer noch ein Hingucker.
Im Juni war es dann soweit, ich war Fahrer eines Elektroautos. Die ersten Tage waren zugegebenermaßen Stress pur, vielfach aber auch schlicht aus Unwissenheit. Ladesäulen App auswählen, Ladesäule anfahren, Stellplatz zugeparkt, Stellplatz zu klein, Ladekabel zu kurz, fehlende Karte des Anbieters, Ladesäule offline … und die Batterieladung unaufhaltsam sinkend bis in den einstelligen Prozentbereich. Das war öffentliches Laden innerstädtisch und dann kamen die ersten 500 km.
Gefühlt waren hinter den Elbbrücken schon die ersten 5% verbraucht und da sollte der erste Ladestopp erst hinter Hannover sein? Das Vertrauen in den vom Fahrzeug (Android) prognostizierten Ladezustand am Zielpunkt wuchs mit jedem Kilometer und tatsächlich: der erste Ladestopp wurde fast aufs Prozent genau erreicht. Inzwischen kenne ich meine beiden Ladestopps auf der Strecke, die dortigen IONITY Ladesäulen und weiß um die Zuverlässigkeit. Auch die Kinderkrankheiten im Umgang mit den innerstädtischen Ladesäulen sind inzwischen vergessen: bessere App, zuverlässigere Anzeige ob verfügbar oder nicht und im Zweifel dorthin, wo noch zwei Säulen frei sein sollen.
Auf dem Papier ist das E-Auto die günstigere Alternative
Nun aber zum Thema Kosten. Immer wieder liest man von dem schönen Beispiel 20 kWh Verbrauch zu 30ct, also € 6,00 auf 100 km. Ein verbrauchsgünstiger Verbrenner müsste also zu einem Spritpreis von € 1,00 betankt werden, um da mithalten zu können. Die Realität an den Zapfsäulen geht eher in Richtung € 2,00 (an einer Autobahn ARAL habe ich schon € 2,17 gesehen). Für mich war also eher die Leasingrate von Interesse, als die Betriebskosten.
Das änderte sich allerdings rasch, als ich die ersten 1.000 km Trips absolviert hatte. Im Gegensatz zum innerstädtischen Laden, wo man das Fahrzeug immer mal für zwei Stunden an eine 22 kW Ladesäule zu 30 bis 35 ct hängen kann, ist für die Langstrecke (Autobahn) ein Schnelllader bis 350 kW ein Muss. Eine halbe Stunde Verweilzeit an der Ladesäule ist zwar viel im Vergleich zum Verbrenner-Stopp an der Zapfsäule, aber Luxus in der E-Auto-Welt und den bezahlt mancher teuer. Für mich als Polestar Fahrer hieß das an den IONITY Säulen via plugsurfing App 89 ct pro kWh. Und da der Verbrauch eines Performance Models auch nicht bei 20 kWh, sondern eher bei rund 24 kWh liegt, hieß das mehr als € 20 auf 100 km. Das hatte nun aber nichts mehr mit der ach so günstigen E-Mobilität-Welt zu tun.
Ein 1.000 km Trip kostet mich so fast € 250,00, also so viel DB 1. Klasse oder sogar Fliegen. Ärgerlich: Die Fahrzeuge der IONITY Gesellschafter wie VW ID etc. luden die gleiche Kilowattstunde für 29ct.
Der richtige Tarif macht den Unterschied und senkt die Kosten
Auf der Suche nach einem Ausweg stieß ich auf elvah, die mit ihren zwei „Flat-Rate“ Modellen eine spürbare Kostenreduzierung versprachen. Schließlich wollte ich zwar klimabewusst unterwegs sein, aber nicht zu Preisen, die schon fast den Eindruck von Sabotage erweckten. Elvah bietet 2 Preismodelle: je nach Fahrzeug eine Monatspauschale (z.B. für den Polestar 2 € 169,00) oder 25kW Pakete zu € 8,99 bzw. € 13,99. Wichtig für mich war, dass ich mit elvah insbesondere an den teuren IONITY Schnellladern laden kann.
Alles andere ist ein Rechenexempel: für 2 mal 1.000 km im Monat bei sportlicher Fahrweise, also wenn zulässig auch mal 200km/h, verbrauche ich rund 500 kWh. Bei € 169 sind das also rund 34ct. Ein absolut zufriedenstellender Preis. Bei nur einmal 1.000 km würde sich die Monatspauschale schon nicht mehr so rechnen. Da ist das Preismodell mit den 25 kW Paketen interessant, insbesondere aber flexibler: für einen Verbrauch von 250 kW benötige ich also 10 Pakete a 25 kW. Die ersten drei Pakete kosten € 8,99, die weiteren sieben 25 kW-Pakete € 13,99, macht zusammen knapp € 125, also rund 50ct pro kWh.
Ob nun aber monatlich 2.000 km mit dem BEV für € 169,00, € 250,00 oder gar € 500,00 zurückgelegt werden – was wären eigentlich bei den aktuellen Diesel- und Super-Preisen die Kosten für einen Verbrenner? Außerdem ist es ein Unterschied ob das E-Auto 18 kWh, 21 kWh oder 24 kWh verbraucht, ob es überwiegend mit Haushaltsstrom, innerstädtisch oder an Schnelllader geladen wird. Für Verbrenner hingegen ist zu unterscheiden zwischen Verbrauch und Kraftstoffart. Mit Hilfe einer Excel-Tabelle in die diese Variablen einfließen ist es möglich verschiedene Szenarien zu berechnen und gegenüberzustellen. Dabei hat sich gezeigt, dass schon heute bei den aktuellen Dieselkraftstoffpreisen (und natürlich Super) sämtlicheE-Autos (auch solche mit bis zu 25 kWh Verbrauch) die mit Haushaltsstrom zu 30 bis 35 ct geladen werden konkurrenzlos günstig sind.
Bei Langstrecken (Autobahn) mit mindestens einem Ladestopp an einem Schnelllader ist ein Laden für 30 bis 35 ct in der Regel nicht mehr möglich. Für nicht von IONITY bevorzugte Fahrzeuge sind Kosten von rund 50 ct realistisch und z.B. mittels elvah auch realisierbar. Selbst unter diesen kostenmäßig optimierten Bedingungen (im Vergleich zu 79 ct IONITY, 89 ct plugsurfing) ist das Dieselfahrzeug insbesondere mit zunehmender monatlicher Kilometerleistung dem Stromer kostenmäßig noch überlegen. Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Superkraftstoff hingegen ist selbst ein Performance EV mit rund 25 kWh Verbrauch aber schon wieder wettbewerbsfähig.
Langstrecke mit Ladestopp ist eine potentielle Kostenfalle für E-Autofahrer
Es zeigt sich also, dass die Langstrecke mit Ladestopp der kritische Kostenfall bei der Nutzung eines E-Autos ist. Unter Ausschöpfung günstiger Tarife an Schnellladern (entweder Fahrzeuge der IONITY Gesellschafter oder für Fahrzeuge von Fremdherstellern die Nutzung z.B. von elvah) legen verbrauchsarme E-Autos auch diese Strecken bereits kostengünstiger als Verbrenner zurück. Lediglich Performance Modelle mit Verbräuchen von bis zu 25 kWh verursachen derzeit noch höhere Kosten als Verbrenner – aber nur im Vergleich zu Dieselfahrzeugen.
Aber ganz ehrlich: das nahezu geräuschlose Dahingleiten, mit der Möglichkeit, binnen eines Augenblicks auf 200 km/h zu beschleunigen – und das CO2-frei, ist ein paar Euro Unterschied allemal wert. Einmal E-Auto, nie mehr Verbrenner. Allzeit on the Race to Zero.
Über den Autor: Christian Soring, Fahrer eines Polestar 2 Allrad 78kWh, max. 210km/h, ∅ 23,5 kW