Schon allein die Konstellation — Automobil, Politik, Energie — deutet auf ein interessantes Gespräch hin: In einem gemeinsamen Interview mit der Zeit sprachen Daimler-Chef Ola Källenius, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und EnBW-Chef Frank Mastiaux, wie die Energie- und Mobilitätswende gelingen kann.
Die viel diskutierte und in manchen Ländern sogar Gesetz gewordene Idee, ab 2030 nur noch CO2-freie Fahrzeuge zuzulassen, sieht Daimler-Chef Källenius skeptisch: 100 Prozent elektrisch in 2030 seien „nicht sinnvoll“ und wegen der geringeren Reichweiten von E-Autos auch „nicht realistisch, mit dem Bewegungsmuster, das die Welt hat“. Dennoch sei die „klare Strategie für die nächsten fünf bis zehn Jahre“ bei Daimler: „‚Electric first‘. Der Pkw wird batterieelektrisch“. Das gelte „übrigens auch für Vans und für die Nutzfahrzeuge für den Verteilerverkehr. Also investieren wir da massiv.“
Kretschmann von den Grünen, dessen Partei schon mehrfach den Vorschlag des Verbrennerverbots ins Gespräch gebracht hat, relativiert die Idee. „Genau genommen“ laute der Vorschlag, „ab 2030 keine Kraftfahrzeuge mit fossiler Verbrennung mehr zuzulassen“. An Stelle der Elektroautos könnten somit auch Fahrzeuge treten, die mit nachhaltig erzeugten E-Fuels angetrieben werden.
Auch bei der konkreten Jahreszahl müsse es nicht unbedingt 2030 sein. Fest stehe aber: Beim „Zwei-Grad-Ziel“ zur Eindämmung der globalen Erwärmung müssen wir „hart“ sein, sagt Kretschmann. „Die globale Erwärmung darf nicht darüberliegen, sonst gibt es eine Katastrophe.“ Die Frage sei, wie man dieses Ziel „mit den geringsten Kollateralschäden“ erreichen kann. Denn wenn etwa „die Industrie zusammenbricht oder auswandert, haben wir nichts gewonnen.“
„Die Strommenge ist nicht das Problem“
Dass die Stromnetze, wie von vielen Skeptikern befürchtet, wegen Elektroautos zusammenbrechen, werde nicht passieren, sagt EnBW-Chef Mastiaux: „Die Strommenge ist nicht das Problem“, sagt er. „Eine Million Elektrofahrzeuge würden gerade mal ein halbes Prozent mehr Strombedarf in Deutschland erzeugen. Auch zehn Millionen oder mehr Fahrzeuge würden kein Problem sein.“ Die Herausforderung aber liege darin, das gleichzeitige Laden von vielen Fahrzeugen intelligent zu steuern oder, wo nötig, zusätzliche Netzverstärkungen zu bauen.
Mastiaux sieht allerdings mit Sorge, wie der Aufbau von neuen Windkraftanlagen ins Stocken geraten ist: Es gebe „zunehmend lokale Widerstände, zum Beispiel von Bürgerinitiativen und auch von Verbänden. Zwischen Idee und Inbetriebnahme eines Windparks lagen 2018 gut drei Jahre, heute sind es fast sechs.“ Deutschland brauche aber bis 2030 einen Ausbau von jedes Jahr 3000 bis 4000 Megawatt an Windkraft, um seine Klimaziele erreichen. Zuletzt waren es allerdings nur 1000 Megawatt. „Deshalb müssen wir auch über kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren reden“, so Mastiaux.
„Am Beispiel der Corona-Krise sehen wir ja gerade, dass die Menschen zu massiven Einschränkungen in ihrem Alltag bereit sind, wenn es einem gesellschaftlich höheren Zweck dient“, sagt der EnBW-Chef. „Die Politik auf der Bundesebene sollte Mut aus ihrem entschlossenen Handeln schöpfen und ebenso konsequente Entscheidungen treffen, damit die Klimaschutzziele erreicht werden“. Mastiaux fordert deshalb, die Regelung, dass Windräder 1000 Meter Abstand zu angrenzenden Wohnhäusern haben müssen, wieder zu streichen. Auch Kretschmann sagt, dass die 1000-Meter-Regel abgeschafft werden sollte.
Um die Antriebswende zu beschleunigen, fordert Daimler-Chef Källenius, dass fossile Kraftstoffe „über eine CO2-Bepreisung graduell teurer werden“ müssen. „Mit den zusätzlichen Einnahmen sollte dann beispielsweise der Bau von Ladesäulen beschleunigt werden“, so seine Idee. „Es geht nicht nur um den Benzinpreis“, sagt der Grüne Kretschmann. Die Leute überzeuge man auch „durch Taten“. Baden-Württemberg habe zum Beispiel das Projekt „Safe“ auf den Weg gebracht, „ein Netz von Ladestationen, nie weiter als zehn Kilometer voneinander entfernt.“ Das Land wolle „jetzt weiter forschen und investieren in den Bereichen Wasserstoff oder intelligente Parkhäuser. Projekte, die uns wettbewerbsfähig machen gegenüber den großen Playern sonst wo auf der Welt wie im Silicon Valley oder in Shenzhen.“
„Energie- und Automobilunternehmen müssen eng zusammenarbeiten“
„Beim Thema E-Mobilität müssen Energie- und Automobilunternehmen eng zusammenarbeiten“, sagt Mastiaux. „Wir wollen ja nicht nur andere Autos, wir wollen die Mobilität neu organisieren“, wirft Kretschmann ein: „Also die ganze Vernetzung, auch mit öffentlichen Verkehrsträgern, sodass du deine persönliche Strecke sinnvoll organisieren kannst. Dazu müssen wir digital alles mit allem vernetzen, das sind die großen Aufgaben.“
„Wir werden die großen Verkehrsströme in Zukunft viel besser gestalten können, weil alle Autos wissen werden, was die anderen tun“, sagt Källenius zu diesem Thema. Autos werden „Smartphones auf Rädern sein und intelligent miteinander kommunizieren können, sie werden etwa berücksichtigen, welche Ladesäulen mit welcher Ladegeschwindigkeit und zu welchen Kosten wo frei sind.“ Die „digitale Revolution“ beschleunige und unterstütze die Energie- und Mobilitätswende.
Der Weg zur CO2-Neutralität sei „eine gigantische Aufgabe“, sagt Källenius, der es gut findet, „dass hier Automobilindustrie, Energiewirtschaft und Politik grundsätzlich an einem Strang ziehen“. Wichtig sei es, „gemeinsam mit Vernunft die wirtschaftlichen Aspekte“ zu berücksichtigen und „eine gewisse Planungssicherheit“ herzustellen. „Und je schneller der Staat hilft beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, desto schneller wird auch die Akzeptanz bei den Kunden wachsen, was den Absatz an Elektroautos fördern würde.“
Quelle: Die Zeit — Elektromobilität: Wie gelingt die Elektrowende?