Daimlers Elektroauto-Fahrplan steht, wie wir Mitte Dezember 2020 erfahren durften. Dabei ist die konsequente Elektrifizierung des gesamten Produktportfolios für den Autohersteller Daimler ein zentraler Baustein der strategischen Fokussierung „Ambition 2039“ und Grundvoraussetzung auf dem Weg zu CO2-Neutralität. Acht vollelektrische Mercedes-EQ Modelle sollen bis Ende 2022 am Start sein. Umzusetzen ist dies allerdings nur durch einen massiven Sparkurs auf ein Ziel.
Dies führt dazu, dass bei Daimler derzeit nicht gerade die beste Stimmung herrscht. Denn Vorstandschef Ola Källenius bringt mit seinem Sparplan und der angedachten Fokussierung auf das Luxus-Segment viele Mitarbeiter gegen sich auf. Experten bescheinigen ihm aber kaum eine andere Wahl. Noch Ende November 2020 gab Michael Brecht, Daimler-Betriebsratschef, zu verstehen, dass sich aktuell alle Beschäftigten bedroht fühlen und schickt eine deutliche Warnung an die Konzernspitze: „Wenn der Vorstand weiter einseitig Entscheidungen fällt und uns nur noch über das Ergebnis informiert, wird das schwerwiegende Folgen für die Beziehung zu uns Arbeitnehmervertretern haben.“
In eine ähnliche Kerbe schlugen Bemerkungen anderer Betriebsräte, welche Källenius und Kollegen Spitznamen wie “Sankt NikOLAus und Knecht Porthrecht” andichteten. Dabei seien diese vor den Feiertagen, mit Rute und goldenem Sparbuch unterwegs, um die Belegschaft zu bestrafen, so eine aktuelle Meldung weiter. Das Unternehmen, schrieben sie, “versohlt den artigen Beschäftigten kräftig den Hintern”. Dass der Haussegen mehr wie schief hängt erkennt man auf den ersten Blick.
Daimler: Sparen, Sparen und nochmals Sparen für eine bessere Zukunft
Reduzierung der Arbeitszeiten, Wegfall der jährlichen Prämie und geringer Informationsfluss tragen nicht gerade zum Wohlbefinden bei. Der “Sparwahn” der Konzernspitze falle zu stark aus und überspanne den Bogen. Und dennoch scheint dies der richtige Schritt in die Zukunft zu sein. Denn derzeit steckt Daimler viel Geld und Energie in seine Elektroauto-Familie, welches an anderer Stelle eingespart werden muss. Sorgen macht man sich in der Belegschaft daher vor allem um die Zukunft der Motorenwerke in Berlin und am Konzernsitz in Stuttgart-Untertürkheim. Erst Ende November hatte das Management damit gedroht, die Entwicklung wichtiger Zukunftstechnologien doch nicht in Untertürkheim anzusiedeln, wenn der Betriebsrat weiter auf früheren Zusagen zur Auslastung des Standorts beharre. Eine Entscheidung steht aus und wurde in 2021 verschoben.
Mittlerweile scheint es aber so, dass Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht, versöhnliche Töne anschlägt. “Nach den teils öffentlich geführten emotionalen Diskussionen über die Zukunft unserer Standorte in den vergangenen Wochen befinden wir uns wieder in konstruktiven Gesprächen”, sagt er. Man habe Verständnis dafür die Kosten im Blick zu behalten, “allerdings dreht es sich dabei gefühlt immer um die Personalkosten. Das macht den Menschen Angst”, so Brecht. In Richtung Källenius lässt er es sich nicht nehmen eine erneute Spitze zu setzen: “Der Vorstand kann alleine kein Rennen gewinnen – verlieren schon.”
Recht hat er und dennoch muss Daimlers Vorstandschef Strom geben, wenn man am Weltmarkt weiterhin eine Rolle spielen möchte. Mindestens 15.000 Stellen, eher deutlich mehr, sollen wegfallen, auch weil die Sparpläne wegen der Corona-Krise nochmal nachgeschärft wurden. Das Produktionsnetz im Pkw-Bereich wird ausgedünnt. Das Smart-Werk in Hambach hat Källenius verkauft. Auch in Brasilien baut Mercedes-Benz künftig keine Autos mehr. Mit Geely wolle man Motoren effizienter machen und die Brennstoffzellentechnik erhält mit Volvo und bei autonomen Lastwagen mit der Google-Schwester Waymo neuen Aufwind.
Fokus auf Luxus, Software und wiederkehrende Einnahmen als Rettungsanker
Wie Daimlers Vorstandsvorsitzender Ola Kaellenius gegenüber Reuters Mitte November zu verstehen gab, wird die Daimler AG in den nächsten fünf Jahren ein kleineres Unternehmen sein. Man wird schrumpfen und will einen Teil des Umsatzes durch wiederkehrende Einnahmen aus softwarebasierten Dienstleistungen erzielen. Des Weiteren stelle man für die Marke Mercedes-Benz luxuriöse Elektroautos in den Fokus, welche in einer weiteren Ausbaustufe möglichst autonom unterwegs sind. Aus seiner Sicht werden Arbeitsplätze verschwinden, weil der Bau eines Elektroautos weniger Zeit in Anspruch nimmt als der eines herkömmlichen Benzin- oder Dieselautos.
Trotz der Schwere der Entscheidung erscheint diese richtig, Branchenexperte Stefan Reindl gibt zu verstehen: “Es geht nur über die Kosten oder über den Ertrag. Beides nimmt Källenius jetzt in Angriff”, sagt Reindl, der das Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen leitet. Källenius will stärker auf das Thema Luxus und die oberen Enden der Segmente setzen, wo mehr Geld pro Auto zu verdienen ist.
Quelle: Automobil-Industrie – Übertreibt Ola Källenius seinen Sparkurs?