Die mit an spannendsten zu lesenden Interviews mit Automobilmanagern sind meist jene mit den Entwicklungschefs der Hersteller. Sie sind am nächsten dran an den Zukunftsthemen und wie wir uns in zehn Jahren fortbewegen werden. BMWs Entwicklungschef Klaus Fröhlich gab in einem Gespräch mit Automotive News Europe dementsprechend einige interessante Neuigkeiten Preis zu kommenden Wasserstoffautos der Münchner, neuen Reichweiten bei Plug-in-Hybriden, was die aktuellen Herausforderungen bei reinen Elektroautos sind und wie BMW das Thema Elektromobilität global betrachtet einschätzt.
Fröhlich bekräftigte zu Beginn des Interviews BMWs Meinung zu einer flexiblen Fahrzeugarchitektur, die gleichsam Verbrennungs-, Plug-in-Hybrid- und batterieelektrische Antriebe aufnehmen kann, wobei die einzelnen Fahrzeuge allesamt auf dem selben Montageband entstehen. Dies sei „die beste Lösung für die nächsten fünf bis zehn Jahre“, so der Manager. „Wenn die Welt jedoch vollständig elektrisch wird, werden wir dedizierte Architekturen entwickeln“, kündigte Fröhlich an.
Für 2021 kündigte BMWs Entwicklungschef zudem Plug-in-Hybride an, die bis zu 120 Kilometer rein elektrische Reichweite bieten — gut dreimal so viel wie die durchschnittliche Tagesfahrleistung eines Pkw in Deutschland. Außerdem sei für Anfang des neuen Jahrzehnts eine Pilotproduktion von Brennstoffzellenantrieben für die großen SUV-Modelle X6 und X7 geplant. Dabei greift BMW auf das Know-How des Entwicklungspartners Toyota zurück, der mit dem Mirai bereits seit 2014 ein serienmäßiges Wasserstoffauto im Programm hat.
Momentan allerdings seien Brennstoffzellen allein aus Kostensicht noch kaum sinnvoll. Derzeit koste ein Brennstoffzellenantriebsstrang etwa das Zehnfache eines reinen Batterie-Systems. BMW plant, diese Kosten bis 2025 mit der dritten Generation seines skalierbaren Brennstoffzellensystems auszugleichen, „was zu einem Volumen von Hunderttausenden führen könnte“, so Fröhlich. Bis 2025 seien reine Batterie-Elektroautos jedoch noch die „am besten geeignete Lösung für Personenkraftwagen“. Brennstoffzellen sehe BMW auch „als praktikable Lösung für leichte und schwere Lastkraftwagen, die mit sehr strengen CO2-Reduktionszielen konfrontiert sind“.
Die wichtigste technische Herausforderung bei Elektroautos sei momentan das Aufladen: „Jede Zelle benötigt einen individuellen Ladezyklus, um das Risiko einer Überhitzung zu minimieren. Dies verringert die Lebensdauer und die Reichweite der Batterie“, erklärt Fröhlich in dem Interview. „Ein zu schnelles Aufladen könnte die Batterie in nur zwei bis drei Jahren zermürben, was einen Kunden angesichts der hohen Kosten für den Austausch eines Batteriepacks sehr unglücklich machen würde.“ Er empfiehlt Elektroauto-Fahrern, „idealerweise“ nur jeden 20. Ladevorgang an einer Gleichstrom-Schnellladestation durchzuführen, den Rest an einer herkömmlichen Wechselstrom-Wallbox.
Warum es in Russland, dem Nahen Osten und in Afrika noch kaum Elektroautos gibt
Global betrachtet geht Fröhlich davon aus, dass elektrifizierte Fahrzeuge bis 2030 etwa 20 bis 30 Prozent des weltweiten Absatzes ausmachen werden, „jedoch mit einer sehr unterschiedlichen globalen Verteilung. Chinas große Ostküstenstädte werden bald rein elektrisch werden, während Westchina in den nächsten 15 bis 20 Jahren wegen mangelnder Infrastruktur auf Benzinmotoren angewiesen sein wird“, so der BMW-Manager. In Europa findet Fröhlich seien Plug-in-Hybride „die richtige Lösung. Sie werden während der Woche als Elektroauto verwendet und an Wochenenden oder auf langen Reisen mit Benzin betrieben“.
In den USA sei die Lage gespalten: Die meisten US-Amerikaner würden mit konventionellen Benzinmotoren weiterfahren, glaubt Fröhlich. BMW sehe Elektroautos in den USA „hauptsächlich in der Westküste und in Teilen der Ostküste“. Und den Rest der Welt betrachtet müsse man bedenken, dass unter anderem „Russland, der Nahe Osten und Afrika“ Gebiete seien, „in denen derzeit keine Ladeinfrastruktur vorhanden ist.“ Auf Elektroautos wird man in diesen Regionen wohl noch länger warten müssen.
Quelle: Automotive News Europe — BMW r&d chief sees rising demand for diverse, multifunctional powertrains