Kurt Sigl, Präsident des Bundesverband eMobilität (BEM), sprach mit Wallstreet Online über die Verzögerung bei der Erhöhung des Umweltbonus, über wichtige Schritte, die den Durchbruch der E-Mobilität beschleunigen können und warum es Elektroautos in den vergangenen Jahren schwer hatten, auf dem Markt Fuß zu fassen.
„Wir sehen im Moment blockierte Fördermechanismen und damit blockierten Absatz“, so Sigl über das langwierige Warten auf den von 4000 auf 6000 Euro erhöhten Umweltbonus für Elektroautos, den die Bundesregierung im November 2019 angekündigt hatte. „Wirtschaft, Händler und Kunden stehen derzeit im Regen“, so der BEM-Präsident über den Verzug, an dem die Bundesreierung nicht ganz unschuldig scheint. „Damit bleiben die Autos auf dem Hof“, sagt er über den auf diese Weise unfreiwillig gebremsten Absatz von Elektroautos, der den Herstellern Schaden zufügen könnte: Ohne einen hohen Anteil von Elektroautos bei den Neuwagen-Verkäufen können sie ihren „CO2-Wert nicht verbessern und es droht eine hohe Strafzahlung an die EU. Das ist politische Regulierung, wie sie in ein Lehrbuch für Worst-Case-Szenarien passt.“
Neben der Freigabe für den höheren Umweltbonus müsse, so Sigl über weitere wichtige Förderinstrumente, „immer noch an vorderster Stelle das Wohn- und Eigentumsrecht reformiert werden“, was ebenfalls bereits im Oktober des vergangenen Jahres von der Bundesregierung in Aussicht gestellt wurde. Mieter und selbst Eigentümer in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) scheitern momentan recht häufig mit ihrem Wunsch, eine Lademöglichkeit etwa in einer Tiefgarage zu installieren. In WEG etwa reicht das Veto eines einzigen Miteigentümers, um das Vorhaben auszubremsen. „Solange die Ladesäule Zuhause und am Arbeitsplatz nicht komplikationslos eingebaut werden kann, solange bockt das ganze System“, sagt Sigl dazu. Er fordert hierzu „in den Bundesministerien Bewegung noch vor Ostern“ ein, „damit die Bauindustrie entsprechende Wünsche im Sommer umsetzen kann“. So könne der Hochlauf der Elektromobilität „in diesem Jahr parallel mit den CO2-Grenzwerten erfolgen und die Unternehmen bekommen wenigstens eine Chance, ihre Geldbußen zu reduzieren“.
Weiterhin fordert Sigl ein verbindliches Ausstiegsdatum aus der Verbrennermobilität, wie es zum Beispiel Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Norwegen bereits festgelegt haben. „Wer keine Ziele setzt, wird sie auch nicht erreichen. Wir empfehlen das Jahr 2030.“ Großbritannien hat zuletzt sein Ausstiegsdatum sogar vorverlegt, von 2040 auf spätestens 2035, um sein im Pariser Klimaabkommen festgeschriebenes CO2-Ziel erreichen zu können.
Ein „deutlicher Ausbau erneuerbarer Energien“ sei ebenfalls notwendig für die Antriebs- und Energiewende und somit das Erreichen des deutschen Klimaziels. Dazu gehöre für den BEM „auch das Ende der Diesel-Subventionen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro“ pro Jahr über die steuerliche Begünstigung im Vergleich zu Benzin. Dieses Geld könnte „wunderbar in die Ertüchtigung der Daseinsfürsorge fließen – Datennetze, Versorgerqualität, behördliche Weiterbildung und für die Bürger eine Informationskampagne, damit Sachlichkeit in diese Mobilitätswende einkehrt und die wirtschaftlich Handelnden Rückendeckung verspüren.“
Bitte keine „Förder-Gießkanne“
Von einer eher planlosen „Förder-Gießkanne“ rät der BEM-Präsident ab. Zum Gelingen der Elektromobilität sei „es notwendig, das Vorhaben als Groß-Projekt einzustufen und eine kompetente Projekt-Organisation nach dem Vorbild von internationalen Großprojekten einzusetzen. Anders können Zeit- und Kosten-Risiken nicht minimiert werden.“
Die Gründe für die klare Verfehlung des Anfang des vergangenen Jahrzehnts von Kanzlerin Angela Merkel ausgerufenen Millionenziels, dass in Deutschland bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos zugelassen sein sollten, „liegen in einem Mix von Ursachen“. Sigl zählt hierzu „das Silodenken in der Politik, die Blockadehaltung bei der deutschen Autoindustrie und das Fehlen politischer Vision“, auf, welche „übrigens bis heute anhält“. Auch ein „gewisser Klüngel auf lobbyistischer und behördlicher Seite, Neuanfängen grundsätzlich geringschätzend gegenüber zu stehen“, habe die Marktdurchdringung von E-Autos entscheidend verzögert.
Wallstreet Online — Regierung bremst E-Mobilität aus: „Das ist politische Regulierung, wie sie in ein Lehrbuch für Worst-Case-Szenarien passt“