Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektroautos steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese in Unfälle verwickelt werden. Brände der Traktionsbatterie von Elektroautos werden in den Massenmedien bereits heute breit thematisiert, weil sie manchmal spektakuläre Ausmaße annehmen und auch unerwartet oder verspätet ausbrechen können.
Daraus zu folgern, dass E-Fahrzeuge generell unsicher sind oder schneller in Brand geraten als Autos mit Verbrennungsmotor, ist aber falsch. Lithium-Ionen-Batterien sind im Fahrzeug äußerst gut geschützt und fangen viel schwerer Feuer als etwa Benzin- oder Dieseltanks. Jedes Jahr gehen Angaben des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) allein in Deutschland etwa 15.000 „Verbrenner“ in Flammen auf, etwas mehr als 40 am Tag. Die häufigsten Feuerursachen bei Benzinern und Dieseln sind nach Angaben der Prüfgesellschaft Dekra in 40 Prozent ein Kraftstoff- oder Ölaustritt auf heiße Motorteile oder Motoranbauteile. Durch Reibung von Fahrzeugteilen mit einem Betriebsstoff kommt es in 26 Prozent aller Fälle zum Brand, und in jeweils 17 Prozent aller Fälle sind entweder Kurzschlüsse oder ein Feuerübergriff von einem anderen Fahrzeug Grund für den Brand.
Bei Elektroautos unterscheiden sich die Gefahrenquellen zum konventionell angetriebenen Pkw: Der Kraftstoff fällt als Gefahrenquelle weg. Am wahrscheinlichsten sind Elektronikbrände. Einen Brand verursachen kann zudem eine zerstörte Batterie. Allerdings fängt sie in der Regel als letztes Feuer. „Und wenn die Batterie der Auslöser des Brandes ist, hat man im Normalfall genügend Zeit, sich und andere aus der Gefahrenzone zu bringen“, sagt Dekra-Experte Egelhaaf. Vor einem Stromschlag müssen Insassen keine Angst haben: „Es besteht kein Stromschlagrisiko“, erklärt Egelhaaf.
Untersuchungen von Elektroautos mit Fällen scheinbar spontaner Selbstentzündung zeigten dem Zulieferer ZF zufolge, dass entweder die Batterie im Vorfeld durch einen Unfall beschädigt worden war oder ein Konstruktions- bzw. Herstellungsfehler vorgelegen hat.
Trotzdem: Fängt der Akku einmal Feuer, ist es schwierig bis unmöglich, ihn zu löschen. Eine Beschädigung der Zellen kann zu einem sogenannten Thermischen Durchgehen führen. Hierbei erhöht sich die Temperatur in der betroffenen Zelle in Sekundenbruchteilen um mehrere 100 Grand, bis das Gehäuse zerstört wird, der Brand wie bei einer Kettenreaktion auf die benachbarten Zellen der Hochvoltbatterie übergreift und seine Stärke vervielfacht. Auf solche Phänomene müssen die Feuerwehren sich vorbereiten.
Die Gefahrenquellen von Elektroautos
Doch Feuer ist nicht die einzige Gefahr, der sich die Rettungskräfte bei Elektroautos stellen müssen. Der Austritt brennbarer oder giftiger Gase aus einer beschädigten Batterie, elektrische Schläge oder die Entstehung von Lichtbögen sind bei Unfällen mit Elektro- und Hybridautos möglich. Des Weiteren kann es Brände an der elektrischen Versorgungsinfrastruktur geben, oder ein verunglücktes Auto muss aus einem Fluss oder einer überfluteten Tiefgarage geborgen werden. Auch die Rettung von Personen aus Unfallfahrzeugen ist mit Gefahren für die Helfer verbunden.
Diese möglichen Gefahren dürfen die Rettungskräfte aber nicht vom schnellen Handeln abhalten, denn sonst könnten Menschenleben gefährdet sein. Der Weiterbildung von Feuerwehrleuten und Sanitätern in Bezug auf alternative Antriebe in Fahrzeugen kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu. Mit diesem wichtigen Thema setzt sich ZF Aftermarket, eine Sparte des Zulieferunternehmens ZF Friedrichshafen, auseinander und hat ein spezielles Training entwickelt.
Der erste Schritt ist die Identifizierung
Elektroautos sind nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen. Das „E“ auf dem Nummernschild oder in der Modellbezeichnung ist nicht vorgeschrieben und kann zudem durch den Unfall zerstört worden sein. Auch fehlende Auspuffendrohre sind kein hinreichendes Indiz, denn bei vielen konventionellen Fahrzeugen sind diese auch kaum mehr sichtbar. Deshalb steht die korrekte Identifikation des Unfallwagens als Hochvoltauto am Anfang der Schulung.
ZF verwendet dazu unter anderem die sogenannte A.U.T.O.-Regel (Austretende Betriebsmittel, Unterbodenkontrolle, Tankstutzen/Tankanschlüsse, Oberflächenkontrolle/Beschriftungen) sowie die Rettungsdatenblätter und Rettungsleitfäden der Autohersteller. Hier sind die Positionen und Verläufe von Hochvoltkomponenten und Kabelsträngen vermerkt.
Ein weiteres Schulungsthema ist der Systemaufbau von elektrifizierten Antrieben und die daraus resultierenden Gefährdungen. Die Teilnehmer lernen zudem die im Fahrzeug verbauten Schutzmechanismen kennen, zum Beispiel Lage und Bedienung des Trennschalters für die Hochvoltanlage. In der Folge bekommen sie Informationen zur Gefahrenabwehr, zum Beispiel über das geeignete Equipment, über die richtigen Verhaltensweisen bei den unterschiedlichen Unfallszenarien (Brand, Wasserschaden) und über die möglichen Folgearbeiten.
Ein Exkurs zu den Verantwortlichkeiten, zum Beispiel bei der Kommunikation mit anderen Rettungskräften (Notarzt, Sanitäter) oder bei der Übergabe des Unfallwagens an den Abschleppdienst gehört ebenfalls zum Schulungsprogramm. Beispiele aus realen Einsätzen runden den Inhalt ab.
Quellen: ZF Afermarket- Pressemitteilung vom 05.11.2019 // Dekra – Pressemitteilung vom 22.11.2017