Als Reaktion auf die scharfe Kritik am Klimapaket hat das Bundesumweltministerium die Entscheidungen verteidigt. „Ich bin überzeugt, dass der Gesamtmechanismus geeignet ist, Deutschland auf Zielkurs zu bringen“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Allerdings gab er zu, es könnte passieren, dass man am Anfang des kommenden Jahrzehnts noch hinter den Plänen zurückbleibe. Ebenso räumte der Umwelt-Staatssekretär ein, dass der CO2-Preis, der Erdgas, Heizöl, Kohle, Diesel und Benzin verteuern soll, „sehr gering“ sei. Benzin etwa wird nur etwa 3 Cent pro Liter teurer.
Sollten Ziele gerissen werden, müssen die Fachminister Sofortprogramme vorlegen, so Flasbarth. Das sei „der Schlüssel zu einem künftigen Erfolg“, weil Anstrengungen im Klimaschutz „aus der Anonymität herausgeholt“ würden.
Klimapaket der Bundesregierung „nicht ausreichend“
Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hält das Klimapaket der Bundesregierung für nicht ausreichend. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte er, die Bundesregierung habe sich „verpflichtet, bis zum Jahr 2030 55 Prozent der CO2-Emissionen einzusparen. Das wird mit diesem Klimapaket nicht möglich werden.“ Er sei fest davon überzeugt, dass das Paket nachgebessert werden müsse.
Sollte das Klimaziele nicht eingehalten werden, seien die Konsequenzen „nicht pille-palle“. Dann seien massive Strafzahlungen an die EU fällig. Mit Blick auf die Aussage von Kanzlerin Merkel, das Klimapaket sei das was möglich ist, sagte Töpfer: „Es ist sicher richtig, dass Politik die Kunst des Möglichen ist, aber es ist die Kunst des Möglichen, die eigenen Verpflichtungen zu erfüllen“.
Positiv sieht Töpfer die jährliche Überprüfung der beschlossenen Maßnahmen. Er plädierte für klare gesetzliche Vorgaben in der Umweltpolitik, auch im Sinne der Industrie: „Ganz viele in der Wirtschaft sind der Meinung: Wir wollen Klarheit haben, dann können wir auch gut damit arbeiten“. Die Klima-Problematik sei zudem ein globale Problematik und böte daher auch viele Chancen für deutsche Unternehmen: „Deutsche Technologien, denken sie nur an die Solar-Energie, die bei uns so billig geworden ist, wie noch in keinem anderen Land, dass man damit auch wieder wirtschaftliche Erfolge erzielt“.
Die von Greta Thunberg angestoßenen Proteste der Jugend bezeichnete Töpfer, der auch Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen war, als „großen Erfolg“. Thunberg habe es geschafft, die Gesellschaft aufzurütteln. Die zentrale Aufgabe sei es nun, von diesem Aufrütteln zu Taten zu kommen. Daher wünscht sich Töpfer, dass „viele von den jungen Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, sich dann hinterher auch politisch engagieren, dazu beitragen, dass unsere Demokratie zeigt, sie ist jetzt handlungsfähig“. Die Proteste alleine reichten aus seiner Sicht nicht aus.
„Es müssen deutlich mehr Angebote zur Förderung des klimaschonenden Verkehrs folgen“
Das Umweltbundesamt hat ebenfalls Zweifel, dass die von der großen Koalition am Freitag gefassten Beschlüsse genügten, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Es sei zwar gut, dass nun Fliegen teurer und Bahnfahren billiger werde, sagte die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, der Süddeutschen Zeitung. „Das wird aber nicht reichen – es müssen deutlich mehr Angebote zur Förderung des klimaschonenden Verkehrs folgen.“ So erwarte sie von der geplanten Bepreisung von Kohlendioxid keinerlei Lenkungswirkung, sagte Krautzberger.
Diese Kritik teilt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Der SPD-Politiker sagte der Süddeutschen Zeitung: „Besser wäre es, zügig ein höheres Niveau beim CO2-Preis zu erreichen und mit dem Erlös den Strompreis nachhaltig zu senken.“ Er habe sich mehr gewünscht, sagte Weil. Während das Klima-Konzept von der Regierungskoalition als großer Wurf gefeiert wird, bezeichnete Weil es lediglich als „eine gute Grundlage für die weitere Diskussion“.
Die Spitzen der großen Koalition hatten sich am Freitag auf ein milliardenschweres Klimaschutzpaket geeinigt. Damit soll die Bundesrepublik ihre Klimaziele für 2030 auch wirklich erreichen und ihre Treibhausemissionen von derzeit 866 Millionen auf dann 563 Millionen Tonnen jährlich senken.
„Das, was da jetzt vorliegt, ist keine Antwort auf die Klimakrise“
Deutschland droht nach Ansicht der Grünen beim UN-Klimagipfel in New York sogar eine Blamage. „Der Auftritt der Kanzlerin vor den Vereinten Nationen wird zur Blamage für unser Land werden“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Bundesregierung könne nicht glaubwürdig nachweisen, dass mit diesen Maßnahmen die Klimaziele 2030 erreichbar seien. „Das glaubt uns keiner auf der Welt“, sagte die Grünen-Politikerin. „Dabei wäre es wichtig, dass Deutschland eine Vorbildrolle einnimmt.“ Die Koalition habe „kapituliert und versagt“, kritisierte Göring-Eckardt.
Die Grünen-Politikerin kündigte an, im Bundesrat würden die Grünen sich „sinnvollen Maßnahmen“ wie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht versperren. Mit den Grünen in den Landesregierungen bestehe Einigkeit, dass jedes zustimmungspflichtige Gesetz „genau überprüft werden muss und versucht wird, für den Klimaschutz raus zu holen, was noch raus zu holen ist“. Die Länder seien aber darauf angewiesen, dass der Bund handele. „Das, was da jetzt vorliegt, ist keine Antwort auf die Klimakrise.“
Quellen: Automobilwoche – Umweltministerium verteidigt Klimapaket: Kann Deutschland „auf Zielkurs“ bringen // Bayern 2 Radiowelt – Vorabmeldung vom 23.09.2019 // Süddeutsche Zeitung – Vorabmeldung vom 22.09.2019 // Der Tagesspiegel – Vorabmeldung vom 21.09.2019