An Forderungen zur Einführung der CO2-Steuer kommt man längst nicht vorbei. Manche Staaten haben sie. Andere überlegen die Einführung. Die Einen lehnen sie ab, die Anderen bestehen darauf. Wie steht die Bevölkerung dazu? Kann eine CO2-Steuer überhaupt den Klimawandel stoppen? Macht sie Sinn oder ist sie Abzocke durch die Hintertür?
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Was ist die CO2-Steuer?
Zunächst ist der Unterschied zur „normalen“ Besteuerung von Energie zu beachten. Diese betrifft auch erneuerbare Energien und hat insofern keinen umweltpolitischen Lenkungseffekt, der über einen typischen Kostenfaktor hinausginge. Wird nicht direkt und klar an die Höhe der Emissionen gemessen, ist es keine CO2-Steuer.
Bei einer CO2-Steuer oder Umweltsteuer handelt es sich um eine staatliche Abgabe für die Emission von Kohlendioxid. Unter denselben Begriff fällt es, wenn auch andere Schadstoffe davon mit erfasst werden.
Der Grund liegt auf der Hand: Es wird weniger CO2 emittiert und die Umwelt weniger belastet. Sie hat einen Lenkungseffekt. Darum zählt sie als marktwirtschaftlich wirksames Instrument. Solche Instrumente haben aufgrund der Vielzahl an Marktteilnehmern komplexe Wirkung und muss immer bis ins kleinste Detail durchdacht werden.
Sichere Folgen der CO2-Besteuerung
- Die Produzenten werden von sich aus ihre Betriebe entsprechend umstellen, die Nachfrage von schonenden Technologien wird ansteigen und die Forschung in eine umweltschonende Richtung gesteuert.
- Klar ist, dass es Verlierer geben wird. Das sind die aktuellen Profiteure der umweltschädlichen Güter. Ihr Umsatz und ihr Gewinn gehen zurück. Das ist ja Sinn der Sache. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um mit Widerstand aus dieser finanzstarken Lobby zu rechnen und sollte Lösungen für sie mitdenken.
Das sind die Erfahrungswerte, die keiner in Frage stellt. Bei jedem Neuland bestehen ungewisse Faktoren. Mögliche Folgen:
- Zu bedenken sind immer die Folgen der Inflation, welche auch am Effekt der CO2-Steuer „knabbern“ kann. Dies löste etwa Skandinavien mit einer automatischen Anpassung.
- Auswirkungen auf die Märkte und die Menschen sind bekannte Phänomene: Die sogenannte Preiselastizität ist eine messbare Größe. Diese Folge der Marktdynamik tritt ein, wenn eine Maßnahme nicht nur um ein einzelnes Produkt betrifft, sondern beispielsweise einen gesamten Sektor eines Landes, wie Energie. Der Lenkungseffekt wird relativiert – die Märkte bilden „Abwehrmechanismen“. Man kennt vorher die genauen Reaktionen aller Marktteilnehmer nicht. Dazu kommen möglicherweise Auswirkungen neuer Technologien. Der Endpreis hängt davon ab, somit das Ausmaß des Erfolgs.
- Der Wettbewerb untereinander, zwischen Staaten oder Branchen, wird aufgrund der höheren Produktionskosten verschoben – das ist durchaus beabsichtigt, damit die Schadstoffe weniger werden. Die Betroffenen brauchen Zeit zur Umstellung – der Stellenwert der Abfederung ihrer Nachteile ist steuerbar durch die Politik. Letztlich ist es eine Interessensabwägung, welche unsere Verfassung in die Hände der Politik legt. Ebendiese Verfassung sieht aber klar das Überwiegen des Gemeinwohls vor – so wäre im Falle eines Notstands sogar eine Enteignung mit anschließender Verstaatlichung zulässig. Um dies zu vermeiden, muss – so man den neuen Berichten des Weltklimarates Glauben schenkt, jetzt gegensteuern.
- Federt man die Auswirkungen ab, wird jedoch der Lenkungseffekt schwächer – wirkt also der Zielsetzung entgegen. Es ist klar, dass ihre Interessen konträr zur Umweltpolitik sind.
- Kritiker von umweltpolitischen Maßnahmen wenden immer ein, dass etwa die Produzenten einfach woanders erzeugen. Dort, wo es weniger Regelungen und Belastungen gibt. Dann kämen die CO2-Emissionen genauso in die Atmosphäre, aber das Land verliere Arbeitsplätze und Einnahmen.
- Um die Richtigkeit der Angabe zu beurteilen, kann man heute schon auf die Resultate der CO2-Steuern in anderen Staaten blicken. Es ist nicht passiert. Außerdem hat es ein Staat selber in der Hand, wie viele klimaschädliche Importe er zurück ins Land lässt. Immerhin gibt es sogar Klauseln in den EU-Verträgen, welche bei besonderen Problemen nationale Lösungen erlauben, auch wenn sie grundsätzlich nicht europarechtskonform sind.
Steuerüberwälzung an den Endverbraucher
Was passiert, wenn die Preissteigerung an den Kunden weitergegeben wird? Es wird der gesamte Konsum verringert, auch in anderen Branchen, weil Geld fehlt. Das führt zu einer Verringerung der Arbeitseinkommen, weil Unternehmen bei Personalkosten den Sparstift ansetzen. Dies bewirkt eine weite Verringerung des Konsums und steuert das Land in Richtung geringeres Wirtschaftswachstum.
Man weiß eben nicht, inwieweit die einzelnen Haushalte geschwächt werden. Daneben kann es dazu führen, dass manche begünstigt werden. Zum Beispiel kann der Hausbesitzer, der aus regenerativen Energiequellen schöpft, Vorteile ernten, welche dem Mieter, der keine Wahlmöglichkeit hat, noch tiefer in die Tasche greifen muss.
Dieses Beispiel stellt etwa eine in Österreich getroffene Maßnahme anhand Subvention dar, welche freilich hinsichtlich einer Verringerung der Emissionen keine wirklichen Erfolge einfährt. Würde sich dieser Effekt verstärken lassen, wäre er zielführend. Es liegt aber auf der Hand, dass es so nicht geht. Ohne Gegenmaßnahmen führt die CO2-Steuer vielleicht zu Erfolg, aber auch Chaos bei Ärmeren.
Werden Schwächere schwächer? Regressive Wirkung bedeutet, dass ärmere Haushalte im Verhältnis zu ihren Einnahmen mehr bezahlen müssen. Das ist schon dann der Fall, wenn die Inflation höher als der Anstieg des Einkommens ist, also so gut wie immer. Zahlreiche Studien sprechen der CO2-Steuer teilweise diese Wirkung ab. Der Staat kann proaktiv Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Schweiz fand eine Lösung, in dem pro Kopf eine Rückverteilung vorgenommen wird. Eine derartige Regelung kann sämtliche individuellen Aspekte berücksichtigen. Lehnt eine Regierung die CO2-Steuer mit diesem Argument ab, ist der Nachteil selbstverschuldet.
Sind klimapolitische Maßnahmen schlecht für eine Volkswirtschaft?
Ist Klimafreundlichkeit kein Qualitätsmerkmal? Sind Qualitätssteigerungen teuer und deshalb schlecht für die Volkswirtschaft? Viele sagen „Nein“.
Qualität versus Quantität im Welthandel
Schon zu Beginn der 90er Jahre stellte Michael E. Porter, ein US-Ökonom und Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaften, im Harvard Business Review ein These vor, demnach umweltpolitische Maßnahmen selbst innerhalb eines Landes kein Nachteil sein müssen. Nämlich dann, wenn eine Umsetzung der Ziele als Qualitätskriterium ein Auslöser für Innovationen gewertet wird und Vorreiterrollen befördern. Die Nachfrage kommt auch von anderen Ländern. Dann werden sie zum Vorteil.
Was passiert mit dem Geld?
Teilt man es nach sinnvollen Kriterien auf, um die Belastung der Bevölkerung – wie oben angesprochen – zurückzugeben, nennt man die CO2-Steuer eine sogenannte „aufkommensneutrale Steuer“.
Die zusätzlichen Summen im Staatshaushalt bieten aufkommensneutralen Spielraum für einen Gesetzgeber. Man kann andere Zwecke damit erreichen – Abfederung beim Pendler, Belohnung von umweltfreundlichen Unternehmen mit weitergehendem Lenkungseffekt, Subventionen für die Forschung – die gesamte Zielerreichung kann auf diese Weise noch weitreichender sein als ohnedies.
Immerhin: Schafft man damit eine technische Neuerung mit CO2-Ersparnis von „eigenen“ Unternehmen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er die anderen Staaten beliefern wird. Dann hätte Porter recht behalten.
Im Ergebnis ist eine aufkommensneutrale CO2-Steuer keine Belastung. Selbst als bloße Staatseinnahme kann sie den Faktor Arbeit und Eigenleistung entlasten und so zu höherem Konsum führen sowie die Volkswirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen. Nur eben nicht bei unbelehrbaren Stinkern.
Wo steht die Staatengemeinschaft im Jahr 2019?
Auf EU-Ebene wird seit 2005 auf ein anderes System gesetzt – dem Emissionshandel. In 31 Staaten wird eine bestimmte Anzahl an Schadstoffausstößen „erlaubt“ und als verbrieftes Recht am freien Markt mit einem fixen Preis gehandelt. Betroffen sind etwa 11.000 Anlagen, welche dort fast die Hälfte aller Schadstoffbelastungen verursachen. Deutschland und Österreich werden unter anderem für die mangelnde Umsetzung kritisiert und es bestehen trotz europarechtlichen Regelwerken zahlreiche Möglichkeiten für Umgehungen. Außerdem sind die Preise sind so angesetzt, dass es bislang nichts bewirkt hat.
Die anderen EU-Regeln betreffend die Energiegewinnung in Europa unterscheiden nicht nach Klimaschädlichkeit oder nicht.
Vielmehr wurde den Staaten darin viel Spielraum gelassen, selber auf politisch gewünschtem Weg ihre Lenkungseffekte zu erzielen. Interessant ist umweltpolitisch betrachtet das sogenannte „Subsidiaritätsprinzip“: Dieses besagt, wo der Staat selber Lösungen erzielen kann, hält sich die Union zurück. Man schafft nur dort eine Lösung, wo der Staat es alleine nicht schafft.
Das Problem dabei ist jedoch – übrigens bei so gut wie jedem Thema – dass es vorher einer Einschätzung über die beizumessende Priorität des Themas bedarf: Der Stellenwert für Umwelt ist in jeder politischen Bewegung anders. Manche Parteien sagen, es ist höchste Zeit für ein Einschreiten der EU um die selbstverursachte Erderwärmung zu stoppen. Dann dürfte sie auch keine Freihandelsverträge schaffen, die massenweise Fleisch aus Übersee in unsere Märkte schiffen. Andere begründen mit dem Subsidiaritätsprinzip wiederum, dass das die EU nichts angehe.
Wer gerade auf Unionsebene die Macht hat, bestimmt also, wo sie überhaupt tätig wird oder nicht. Die Crux dabei: Wo sie tätig wird, wird sie vom Volk wahrgenommen. Dies führt dazu, dass das Volk die EU als Lobby für Konzerne betrachten kann und nicht die Parteien, welche dort herrschen. Ein kleines Gedankenspiel: Wäre die extreme Rechte in Brüssel stark, wäre die Union eine völlig andere – wären es die Grünen, wäre sie wieder eine andere. Dieses Subsidiaritätsprinzip bewirkt eine allgemeine Wahrnehmung der gesamten EU, die eigentlich nicht von ihr selber ausgeht. In Wahrheit bestimmt das Volk – besonders stark sind prozentual dabei jene Bürger, die nicht an ihren Wahlen teilnehmen.
Frankreich
Seit 2014 wird eine spezifische Form der CO2-Steuer in Frankreich eingehoben. Dort machte man sich 2018 im Rahmen einer nicht aufkommensneutralen Mehrbelastung gegenüber Autofahrern keine Gedanken zum sozialen Ausgleich. In Kanada setzte man ähnliche Maßnahmen, aber dort federte man die Folgen ab. Folge war in Frankreich die Formierung der sogenannten Gelbwesten, der soziale Frieden war bedroht.
Schweiz
Auf keinen Widerstand hingegen führte die Einführung in der Schweiz. Die Regierung wählte einen lobenswert integrativen Weg: Zu Jahresmitte bekommt jeder Bürger eine Art Kontoauszug mit der Höhe einer angekündigten Rückerstattung. Diese Gutschrift landet zu Jahresende am Konto ihrer Krankenversicherung.
Österreich
Es gibt keine CO2-Steuer in Österreich. Dort herrscht zurzeit Wahlkampf und die laut Umfragen stärkste Partei ÖVP, das österreichische Pendant zu CDU/CDU, lehnt „jede Art von neuen Abgaben“ ab. Ihr bisheriger Koalitionspartner, die FPÖ, bläst in dasselbe Horn. Purer Populismus, sagen die anderen, so fordern die SPÖ, NEOS, Grüne und die Liste Jetzt die Einführung von CO2-Steuern mit einem jeweils etwas anders anderen Konzept zur Entlastung.
Seit Mai 2019 wird Österreich von einer Expertenregierung geführt, die bis zur Neuwahl im September das Land nur verwaltet und von sich aus keine politischen Maßnahmen ergreift. Den Umfragen zufolge dürfte es zu einer Neuauflage der Skeptiker kommen.
Deutschland
Die Einführung einer CO2-Steuer wird von einem Sachverständigenrat gefordert, welcher im Juni 2019 seine Expertise an die Bundeskanzlerin übergab. Neben einigen Institutionen forderten zunächst Grüne, Linke, SPD und Teile der CDU ihre Einführung.
Mit 9. August 2019 hingegen wächst Widerstand seitens CDU und CSU, sie bezweifeln die Verfassungskonformität. Konkret möchte der Wirtschaftsflügel der Parteien vor einem anstehenden Beschluss am 20. September seine Sichtweise verstärkt einbringen. Demnach sei eine Besteuerung pro Verbraucheinheit, nicht nach aber anhand Emissionen zulässig, so der Wissenschaftliche Dienst im Bundesrat. Die Experten im Umweltministerium weisen diese Auslegung zurück. Eine Verfassungsänderung, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert, scheitert am Widerstand von CDU, CSU und FDP.
Ist sie wirklich verfassungswidrig?
Das kommt auf die Umsetzung an. Der Staat hat kein „Steuererfindungsrecht“, sagen sie Einen – so weit, so richtig. Es kommt also darauf an, woran die Steuer genau geknüpft wird. In Planung ist eine Komponente des Verbrauchs. Es gäbe kaum ein Gutachten, welches die Verfassungskonformität von Elementen eines Lenkungseffektes als unzulässig darstellen würde.
Bei der Debatte fehlen auch einige Aspekte, etwa die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung. Mit dem aktuellen Klimabericht ist diese zweifellos vorhanden, wenn nicht gar ein Gebot zum Handeln ableitbar ist. Immerhin hat der Staat immer die gelindesten Mitteln zu wählen: Tritt etwa ein klimabedingter Staatsnotstand ein, müsste der Staat sogar an Enteignungen denken. Eine Variante, wie die CO2-Steuer mag manche wirklich in ihrer Existenz bedrohen. Es bleibt aber allerhand politischer Spielraum, damit bestmöglich umzugehen. Noch.
Außerdem erscheint es nicht glaubwürdig, wenn ein und dieselbe Stimme eine Verfassungsänderung nicht unterstützen würde und mit demselben Argument die Maßnahme ablehnt. Es ist logisch, dass die Mehrheit Angst vor neuen Belastungen hat. Damit gewinnt man Sympathien. Die Umsetzung in anderen Ländern zeigt jedoch, dass man dem vorbeugen kann. Für den objektiven Betrachter stellt sich die Frage nach Ehrlichkeit.
Resümee über die Wirksamkeit einer CO2-Steuer
- Eine Zusammenarbeit der Staaten erhöht die Effizienz der CO2-Steuer und verhindert Wettbewerbsnachteile im eigenen Land
- Zusätzliche Maßnahmen wie Subventionierung alternativer Innovationen verstärkt die Wirksamkeit.
- Schaffung einer Win-Win-Situation nach der These Porters
- Aufkommensneutrale Ausgestaltung
- Weitere Lenkungseffekte sind möglich
- Aufklärung von Skeptikern menschgemachter Erderwärmung verstärkt sozialen Zusammenhalt
Der Vergleich in den Staaten zeigt: Dort, wo diese Aspekte berücksichtigt wurden, gab es weder Widerstand, noch negative Auswirkungen auf den Wettbewerb – und: Die CO2-Emissionen gingen entscheidend zurück.