Zwei Schwergewichte der Lkw-Branche standen der Automobilwoche Rede und Antwort: Scania-Chef Henrik Henriksson und MAN-Chef Joachim Drees, welche beide der Muttergesellschaft Traton (eine 100-prozentige Volkswagen-Tochter) angehören, sprachen mit dem Fachblatt ausführlich über neue Zukunftstechnologien, die Elektrifizierung im Schwerlastverkehr und wie die Hersteller die CO2-Ziele der EU schaffen wollen.
„Wir wissen, dass wir angesichts der anstehenden Veränderungen viel stärker sind, wenn wir unsere Kräfte bündeln“, so MAN-Chef Drees über die gemeinsamen Anstrengungen der beiden Lkw-Marken. Henriksson zufolge konzentriere sich bei der Entwicklung neuer Antriebs-Generationen Scania auf die größeren Motoren und Getriebe und MAN auf mittelgroße und kleinere Motoren sowie die Achsen. „Wie das Fahrzeug dann aber schaltet, wie es sich für den Fahrer anfühlt, das wird unterschiedlich sein. Das regeln Software und Hardware. So können wir uns unterscheiden und dennoch die gleichen Plattformen verwenden“, so Drees in dem Interview.
Für die neuen Vorgaben der EU, dass der CO2-Ausstoß von Trucks bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent sinken muss, gibt es Drees zufolge „keine Alternative. Unsere neue, noch effizientere Motoren-Generation wird ein wesentlicher Baustein sein, diese Ziele zu erreichen“, so der MAN-Chef. Henriksson fügt hinzu, dass die beiden Unternehmen „vieles schon im Portfolio“ haben, um diese Vorgaben auch erreichen zu können: „Die neue Motoren-Generation, verschiedene Formen der Elektrifizierung, Hybridantriebe. Damit können wir arbeiten“, so der Scania-Chef.
„Es ist ja nicht so, dass wir erst seit den EU-Plänen darüber nachdenken würden, den Verbrauch und damit den CO2-Ausstoß zu reduzieren“, fügt Drees hinzu. Die Hersteller haben demnach bereits „über viele Jahrzehnte intensiv daran gearbeitet, den Verbrauch sukzessive immer weiter zu senken“. Nutzfahrzeuge seien daher schon heute „extrem sparsam. Denn jeder Liter mehr Verbrauch schmälert den Gewinn des Spediteurs. Je nach Preis entfallen insgesamt rund ein Drittel Ihrer Kosten auf den Treibstoff. Unsere Kunden brauchen möglichst sparsame Fahrzeuge.“
Elektro-Lkw brauchen „große Ladestationen an den Autobahnen“
In Sachen Infrastruktur für Elektro-Lkw gebe es einige wohl schwieriger zu lösende Herausforderungen als den CO2-Ausstoß, so Henriksson und Drees einstimmig: „Da braucht es große Ladestationen an den Autobahnen, die beim Laden sehr viel Energie auf einmal abgeben können müssen“.
Eine andere Möglichkeit seien Wasserstoffantriebe, die für den Schwerlastverkehr womöglich besser geeignet sind, als batterieelektrische Antriebe: „Wir schauen uns die Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff in verschiedenen Applikationen an“, erklärt Drees. Aber um Wasserstoff breit einzusetzen, müsse er „anders produziert werden. Heute ist er oft ein Abfallprodukt der Industrie. Man wird ihn künftig mit erneuerbaren Energien erzeugen müssen.“
Henriksson erwähnt in dem Gespräch eine Studie, wonach „die Vollkosten bei Verteilerfahrzeugen und Stadtbussen in europäischen, asiatischen und amerikanischen Städten in den Jahren 2021 oder 2022 gleichauf mit dem Diesel liegen“ sollen. „Für die Langstrecke könnte es irgendwann nach 2025 soweit sein.“ Drees fügt hinzu, dass er ab diesen Jahren „einen Hochlauf“ erwartet: „Vor allem große Städte werden wohl spätestens ab 2025 überwiegend Elektrobusse bestellen. Bis dahin sollte eine solide Infrastruktur stehen.“
In Australien betreibe Scania ein spannendes Projekt in Sachen autonomes Fahren mit dem Betreiber einer Salzmine, wie Henriksson erklärt: „Die Fahrzeuge werden aus einem Kontrollturm in 300 Kilometern Entfernung überwacht. Das ist möglich, weil es kein öffentlicher Raum ist.“
Quelle: Automobilwoche – Chefs von Scania und MAN: „Wir werden drei bis vier Jahre schneller sein“