Eine aktuelle Studie der europäischen Industrieinitiative mobilityFACTS zieht den Schluss, dass die aktuellen politischen Zielvorgaben für die Entwicklung der Elektromobilität bis 2030 nicht einzuhalten sind. Demnach beschränken klare physikalische und organisatorische Grenzen das mögliche Wachstum. Die Diskussionen um den Antrieb der Zukunft müssen versachlicht und die Schwerpunkte anders gelegt werden, so mobilityFACTS.
Die Verunsicherung zur Entwicklung der Elektromobilität und zu deren Auswirkungen auf die Zulieferindustrie sei groß, so die Industrieinitiative. Politische Zielvorgaben und die aufgeheizte öffentliche Diskussion führen zu Horrorszenarien mit Volumeneinbrüchen bis zu 50 Prozent. Die europäische Industrieinitiative mobilityFACTS geht der Frage nach realistischen Zielen für die Elektrifizierung der Mobilität nach und untersucht dabei insbesondere die harten physikalischen und organisatorischen Einflussfaktoren auf das mögliche Wachstum.
Klare Wachstumsgrenzen der E-Mobilität
In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl an Veröffentlichungen und Prognosen zum erwarteten Anstieg der Elektromobilität mit zum Teil euphorischen Zuwachsszenarien. Keine dieser Prognosen aber berücksichtige wirklich alle für die Entwicklung der E-Mobilität relevanten Faktoren. In der durch die Unternehmensberatung Schlegel und Partner im Auftrag von mobilityFACTS erstellten neutralen Studie wurde daher ein besonderer Fokus auf die vollständige und detaillierte Betrachtung aller wichtigen qualitativen und vor allem quantitativen Einflussfaktoren gelegt. Diese wurden mit der Entwicklung verglichen, die notwendig ist, um die aktuellen europäischen und globalen politischen Ziele zur Reduzierung der CO2-Emission bis 2030 zu erreichen.
Die meisten der untersuchten Faktoren wie Energieverfügbarkeit, Reichweiten und Ladezeiten wurden in der Studie als nicht einschränkend für die angestrebte Verbreitung elektrischer Antriebe bewertet. Auch wenn die Voraussetzungen für die Ziele 2030 heute teilweise noch nicht existieren, findet hier doch eine rasante technologische Entwicklung statt, die zukünftig keine Restriktion mehr darstellen wird.
Klare physikalische Wachstumsgrenzen und damit Hemmnisse für die Entwicklung der E-Mobilität wurden identifiziert für den Ausbau an Kobalt-Förderanlagen (Verdreifachung notwendig – erreichbar maximal Verdoppelung), den Bau von Produktionskapazitäten für Batteriezellen (Steigerung um Faktor 20 notwendig – realistisch ist maximal Faktor 9), den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur (Ausbau öffentliche Ladestationen auf mindestens 12 Millionen notwendig – erreichbar maximal 9 Millionen).
„Niemand wird ein batteriegetriebenes Fahrzeug kaufen, wenn dafür keine Ladeinfrastruktur steht. Zudem können die Fahrzeuge in der geforderten Anzahl gar nicht hergestellt werden. Der Verbrennungsmotor wird deshalb noch weit in die Zukunft eine wichtige Rolle in der Antriebstechnologie spielen. Seine weitere Entwicklung in Richtung CO2-Reduzierung und Schadstoffminimierung ist deshalb mit der gleichen Energie zu verfolgen wie die technische Marktfähigkeit der Elektromobilität.“ – Tobias Hain, Geschäftsführer des Industrieverband Massivumformung e.V. und Sprecher von mobilityFACTS
Zur Erreichung der politischen Zielvorgaben müssten elektrifizierte Antriebe (Batterie- und Hybridfahrzeuge) in 2030 einen globalen Marktanteil von insgesamt 39 Prozent (ca. 44 Mio. Fahrzeuge) ausmachen. Aufgrund der genannten Einschränkungen sei aber maximal ein Wachstum auf 29 Prozent (ca. 33 Mio. Fahrzeuge) möglich. Realistischer sei aufgrund wahrscheinlicher Verzögerungen und temporärer Engpässe ein Zuwachs der E-Mobilität auf nur 23 Prozent (ca. 25 Mio. Fahrzeuge).
Ausgehend von der Erwartung eines weltweit weiter wachsenden Automobilmarktes wird die Anzahl der Personenkraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor (inkl. Hybridtechnologie) daher bis 2030 sogar weiter zunehmen. Auch bis 2050 ist aufgrund des zu erwartenden Mix aus Batterie- und Hybridantrieben in der Elektrifizierung und bei realistischem Wachstumstempo mit keinem globalen Einbruch der durch Verbrenner angetriebenen Fahrzeuge zu rechnen.
Was bedeutet das für die Zulieferbranche und die Politik?
Die Elektromobilität wird definitiv kommen – aber langsamer als aktuell diskutiert und politisch gefordert, so mobilityFACTS. Automobil-Zulieferer müssen zwar rechtzeitig mit den genauen Auswirkungen – den Chancen wie den Risiken – auf ihr jeweiliges Geschäftsmodell beschäftigen. Hierbei seien aber die voraussichtlich deutlich geringeren Volumenaussichten an Teilen für die E-Mobilität zu berücksichtigen. Sowohl bzgl. zu erwartender Auftragsumfänge als auch bei der Auslegung der Fertigungsprozesse und bei entsprechenden Neuinvestitionen.
Politische Entscheidungsträger müssen die Restriktionen des möglichen Wachstums kennen und berücksichtigen. Eine Versachlichung der Diskussion um die E-Mobilität sei dringend angesagt, um eine weitere Verunsicherung in der Automotive-Zulieferindustrie zu vermeiden und Investitions- sowie Arbeitsplatzsicherheit zu schaffen.
„Entweder es gelingt, die Entwicklung der aufgeführten einschränkenden Einflussfaktoren bis 2030 signifikant zu beschleunigen, wofür weltweit deutlich schnellere politische Entscheidungsprozesse und erhebliche private wie öffentliche Investitionen in sehr kurzer Zeit nötig wären, oder die Ziele zur Reduzierung der CO2-Emmission müssen an die realistischen Möglichkeiten angepasst werden.“ – Tobias Hain, Geschäftsführer des Industrieverband Massivumformung e.V. und Sprecher von mobilityFACTS
Eine Sanktionierung des „Reißens“ der aktuell definierten Ziele (z.B. CO2-Flottenziele der Automobilhersteller) sei vor diesem Hintergrund der Nicht-Erreichbarkeit nicht nur unfair weil die Ziele faktisch nicht erreichbar sind, sondern auch kontraproduktiv, da den betroffenen Unternehmen dadurch Mittel für die dringend notwendige Entwicklung emmissionsreduzierter Antriebskonzepte entzogen werden.
Quelle: mobilityFACTS – Pressemeldung vom 04.10.2018
Sehr guter Artikel, der zugleich auch zur Diskussion herausfordert. Er ist im Interesse der Industrie verfasst worden (schwerpunktmässig), meines Erachtens fachlich fundiert und kommt zu einem ausgewogenen Fazit. Ich habe jedoch einige Angriffspunkte:
– Zunächst sehe ich auch mögliche Hemnisse bezüglich Rohstoffen für die Batterie sowie Produktionskapazität für Batteriezellen … könnte doch aber in 10 Jahren anders aussehen
– Warum können «die Fahrzeuge in der geforderten Anzahl gar nicht hergestellt werden» ? ….warum können die vorhandenen Fabrikken nicht dafür umgebaut werden ?
– Ladeinfrastruktur(öffentlich) ? …..mit zunehmender Reichweite wird überwiegend Home- und Destination-Loading stattfinden, also weniger öffentliches laden.
– Im letzten Abschnitt schränkt Tobias Hain das Fazit wieder ein : “wenn die politischen Entscheidungsprozesse beschleunigt würden”, könnte das vorgegebene Ziel evtl. doch eher noch erreicht warden.
Das übergeordnete Thema, die Klimabedrohung wird hier ganz ausser acht gelassen: man resumiert, dass die Zahl der Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor sowieso ansteigen wird ! (also: “Politiker und Autohersteller, lasst es ruhig angehen, ist ja auch am besten für die Beschäftigung”).
Die Reduzierung des CO2 Austosses ist doch das primäre Ziel. Wenn der Umstieg auf E-mobilität nicht nachhaltig genug gelingt, dann müssen eben andere Mittel her:
z.B. wie im Artikel genannt, weitere Reduzierung des Verbrauchs per Kraftfahrzeug, Einschränkungen für das Fahren, auch ûbergang zu kleineren, leichteren Fahrzeuge, anstelle von ständig grösseren Fahrzeugen (SUV’s)… mit anderen Worten, drastische CO2 steuern einführen (Benutzung der Geldeinnahmen für öffentlichen Verkehr). Last not least auch Reduzierung des allgemeinen Konsums.
Das Klima stellt doch die grössere Bedrohung dar. Auch wenn man da seine Zweifel haben möge, so sollte man dies doch in Erwägung ziehen, um auf der «sicheren Seite» zu sein