„Wir wissen derzeit weder wann noch wo wir demnächst viel Strom für die E-Mobilität benötigen. Wir wissen nur, dass wir viel Strom brauchen“. Diese Bedenken äußerte der Geschäftsführer eines großstädtischen Stromversorgers, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte, gegenüber der WirtschaftsWoche. Mit dieser Einschätzung dürfte er nicht alleine dastehen. Denn unsere Mobilität wird immer elektrischer, und Elektroautos sind nur ein Teil davon. Hinzu kommen in Zukunft wohl auch immer mehr Elektro-Busse, E-Bikes, sowie autonome Carsharing-Autos oder Dreiräder, die Päckchen und Waren ausliefern, wie Zukunftsforscher auf einem Kongress in Karlsruhe ausführten.
Was den Chef des Stromversorgers nervös machte bei diesem Kongress: Niemand habe sich überlegt, woher der Mehrbedarf an Strom für all diese Fahrzeuge kommen soll, und vor allem wie er genau dahin kommen soll, wo er gebraucht wird. Der Manager fühle sich allein gelassen: „Wenn ich wüsste, an welchen Stellen ich in zehn Jahren in meiner Stadt am besten 50.000 E-Autos versorgen kann, wäre die nötige Netzoptimierung beherrschbar und nicht sehr teuer“, sagte der Strommanager. Im Schnitt werde ohnehin „alle fünf Jahre irgendwo etwas aufgebuddelt“, und einfach ein dickeres Kabel vorsorglich mitzuverlegen verursache kaum Mehrkosten.
Aber der Stadtwerkemanager habe buchstäblich keinen Plan. Weil Stadtplaner das Thema ignorierten. Weil Politiker entschiedene Schritte vermieden. Weil Verwaltungen sich vor verbindlichen Vorgaben drückten. So beschreibt das Wirtschaftsmagazin das Problem. Man wisse, dass das Stromnetz an manchen Stellen zu schwach sei für eine optimale Versorgung einer größeren Masse Elektroautos und müsse Milliardeninvestitionen leisten. Zusätzlich zu dem, was der Umbau der Netze für die Energiewende kosten wird. Von 40 Milliarden Euro ist allein hier die Rede.
Die Strommenge ist nicht das Problem
Dass die in Deutschland erzeugte Strommenge für eine komplett elektrifizierte Pkw-Flotte reichen wird, daran zweifeln Experten jedoch kaum. Florian Samweber von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FFE) etwa habe errechnet, dass 45 Millionen Elektroautos pro Jahr insgesamt 105 Terawattstunden (TWh) Strom verbrauchen würden, ungefähr 15 Prozent der heute produzierten Menge. Unter diesem Mehrbedarf „würde die Stromversorgung sicher nicht zusammenbrechen“, sagte Samweber der WirtschaftsWoche, dessen Ansicht viele andere Stromexperten teilen.
Samweber treibe jedoch das gleiche Problem um wie den Stadtwerkemanager: Was passiert, „wenn alle, die um 19 Uhr nach Hause kommen“, ihr Elektroauto zum Laden an die Wallbox hängen? Das werde nicht funktionieren, so Samweber. Die Lösung wären digitale und schlaue Netze, welche die Masse an Elektroautos über intelligente Stromzähler in den Haushalten gesteuert laden könnten, sowie neue Trafos und Spannungsregler. Doch die Planung dafür habe man bisher verschlafen.
Verkehrswende nur mit Digitalisierung der Stromnetze möglich
In Deutschland herrsche eine regelrechte Blockadehaltung, schreibt die WirtschaftsWoche weiter. Dies gehe sogar so weit, dass die Bundesregierung den Ausbau der Ladeinfrastruktur sogar auf EU-Ebene bremse. Deutschland mache sich in Brüssel gegen eine bessere Vorverkabelung von Wohnhäusern stark, die es eigentlich vereinfachen sollte, etwa in den Tiefgaragen dieser Häuser Ladesäulen zu installieren.
45 Millionen Elektroautos am Stromnetz seien kein Problem, sagt auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD und frühere Elektromeister für die Düsseldorfer Stadtwerke Andreas Rimkus. Aber „sie werden eines, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher.“
Ihm pflichte Andreas Breuer bei, der Leiter Neue Technologien beim Energieversorger Innogy, der in einem Pilotprojekt in Wertachau bei Augsburg am intelligenten Stromnetz forscht. Das Projekt in Wertachau sowie ein weiteres in der Eifel hätten gezeigt, dass statt neuen Trafos und teuren Erdarbeiten für neue Kabel meist schon relativ geringe Investitionen in die IT ausreichend wären, um das Netz fit für Elektromobilität zu bekommen. Die Kosten für den Netzausbau könnten somit in einem erträglichen Rahmen gehalten werden, so Breuer, der abschließend sagt: „Die Verkehrswende steht und fällt mit der Digitalisierung der Stromnetze.“
Quelle: WirtschaftsWoche – Elektroauto: Hält das Stromnetz dem E-Auto-Boom stand?
Das gilt natürlich nur, solange man an zentralen Stromversorgern festhält. Das europäische Umland zeigt aber ja schon deutliche Tendenzen zur Dezentralisierung des Systems z.b. mittel Tesla powerwall oder ähnlichen Anlagen in Privathaushalten. Man möge sich dazu vielleicht mal fully charged auf YouTube ansehen, wenn man des Englischen mächtig ist.
45Mio. Elektroautos ?!? Thema verfehlt!
Es kann wohl kaum das Ziel sein, die heutigen PKW 1:1 gegen E-Autos zu ersetzen. Zukünftige individuelle Mobilität wird wohl eher mit weniger Fahrzeugen eine höher Transportleistung anstreben.
Warum soll ich mir ein eigenes (Zweit-)Kfz anschaffen, wenn ich mir bspw. jederzeit ein autonomes Taxi buchen kann? Brauche ich (zuerst in Ballungsgebieten) ĂĽberhaupt noch ein eigenes Auto, wenn der Ă–PNV neu ausgerichtet wird und bspw. Flotten von kleinen flexiblen E-Bussen neben dem traditionellen Ă–PNV zum EInsatz kommen?
Mal abgesehen davon, dass es nun schon genug Tests gab, die die (problemlose) Netzbeanspruchung durch E-Autos untersucht haben, sollte die Dominanz der privaten PKW seinen Zenit ĂĽberschritten haben.