Schaut man sich das Elektroauto als Gesamtsystem an, fällt Aufmerksamen schnell auf, dass es sich dabei um wesentlich mehr als „nur“ eine neue Antriebsart handelt. Tiefergreifend betrachtet ist die Elektromobilität die mit Abstand umfangreichste Änderung, welche die Mobilität – sowohl auf Ebene des Personen- wie des Warentransports – seit dem Umstieg von Kutschen auf Motorfahrzeuge erfuhr. Wir stehen vor einer Wende, wie sie seit über einem Jahrhundert in diesem Segment kein Beispiel hat. Doch sollte dieser Wende mit dem gleichen System von Steuern und Betriebskosten begegnet werden? Ist diese Wende nicht auch die Gelegenheit, sich neben der neuen Antriebsform auch auf neue Bezahlweisen einzulassen? Und wenn ja in welcher Form? Der folgende Artikel macht sich darüber seine Gedanken.
Warum Neues?
Natürlich stellt sich die Frage, warum man mit der neuen Mobilität gleich auch das Finanzielle ändern sollte, wo es doch heißt „never change a running System“. Die Antwort ist einfach: Zum einen sind die bisherigen Systeme sowieso schon nicht perfekt – so ist es doch beispielsweise ziemlich schräg, dass man Unterhaltskosten für ein Auto bezahlt, um damit zur Arbeit zu fahren, um dort Geld zu verdienen, damit man die Unterhaltskosten fürs Auto bezahlen kann oder etwa nicht?
Und zum anderen passen manche Bezahlmodelle schlichtweg nicht mehr zur Natur des Elektroautos. Es mag ja beim Verbrenner gut und schön sein, zu tanken und anschließend mit der Karte den (fremderzeugten) Kraftstoff nach guter, kapitalistischer Manier zu bezahlen. Aber wenn nur ein Drittel aller bisherigen Tankstellenkunden ihr E-Auto zuhause von kostenlos erzeugtem Solarstrom füllen lassen, dann bricht das System, wie wir es kennen, zusammen – zumal die Öl-Franchises selbst an ihrem eigenen Ast sägen.
Das E-Auto schreit gerade danach, auch neue Bezahlungsweisen zu implementieren, die dessen Nutzung – auch im Umfeld einer immer regenerativen Stromerzeugung – viel optimaler erlauben, als bisher.

1. Mobiler Zwischenspeicher
Auch beim Elektroauto wird es außerhalb der Städte beim „Ein Fahrer ein Auto“-System bleiben. Bloß wird auch da das Verbrennerproblem weiterhin bestehen, dass das Fahrzeug 23 Stunden pro Tag herumsteht.
Die Lösung kommt aus München. Dort stellte sich The Mobility House die Frage, ob die herumstehenden E-Autos nicht auch sinnvoll genutzt werden könnten. Heraus kam eine recht brauchbare Vehicle-to-Grid-Lösung (VtC). Solange das Auto steht, wird es, an der Ladestation hängend, als Pufferspeicher für regenerativ erzeugten Strom benutzt und auch bei Bedarf entladen. Bei Mitsubishis i-MiEV, von dem fleißig an einer neuen Variante gearbeitet wird, ist solches bidirektionales Laden bereits möglich.
Damit der Akku nicht gerade zur unpassendsten Gelegenheit entleert ist, könnten Besitzer eine festgelegte Parkzeit vorgeben – auf der Arbeit kein Problem. Genau dann ist der Akku voll und als Bezahlung könnte es entweder Guthaben geben oder die Ladung selbst kostenlos. Genau das wäre auch die Lösung für das angesprochene Problem des „Arbeiten gehen um Geld fürs Pendeln zu haben“.
2. Nicht mein, „unser“ Auto
Elektrofahrzeuge werden zwar sukzessive günstiger, das ändert aber nichts daran, dass Autos generell teurer werden, weil sie komfortabler, komplexer, leistungsstärker werden. Da machen auch künftige E-Auto-Generationen keine Ausnahme. Bisher vertraut die große Masse der privaten Autoverkäufer auf zwei bewährte Grundprinzipien, die so auch künftig funktionieren könnten.
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Beim Autokredit geht das Auto sofort in den Kundenbesitz über, die Kaufsumme wird über monatliche Raten abgestottert
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Beim Autoleasing bleibt der Leasinggeber Besitzer, der Nutzer zahlt nur eine Art monatliche Miete – die meist viel geringer ist als vergleichbare Kreditraten und nach Ende der Vertragslaufzeit geht der Wagen zurück an den Leasinggeber.
Der große Vorteil des Kredits ist natürlich, dass man nach seinem Abbezahlen etwas in der Hand hat – das Auto. Doch bei beiden Stichpunkten kam mit Absicht der Singular „Besitzer“ zum Einsatz. Denn weder Autokredite noch viele Leasingverträge erlauben es, dass mehrere Personen daran beteiligt sind.
Doch genau das wäre im Zuge einer Mobilitäts-Erweiterung und steigenden Kaufpreisen genau das Richtige. Eine Familie, ein Freundeskreis, eine WG kauft sich zusammen ein Elektrofahrzeug. Das senkt die Belastung aller. Und über die Digitalisierung kann genau abgerechnet werden, wer wie viel damit gefahren ist, sodass eine faire Abtragung möglich ist. Rein rechtlich ist das kein Problem, denn mehrere Personen können Halter eines Fahrzeugs sein. Und es kommt noch besser: Durch Boni für Elektroautos etwa könnte das Auto schneller abbezahlt sein.

3. Die Steuer
Es ist ein leidiges Thema, aber eines, an das man auch als privater E-Auto-Besitzer denken muss. Neben der Tatsache, dass neuzugelassene E-Autos für fünf bzw. zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit sind, kommen derzeit auch noch neue steuerliche Vergünstigungen über den Ladestrom hinzu.
Doch diese paradiesischen Verhältnisse werden und müssen enden. Die Autosteuer wird im Elektrozeitalter von der zulässigen Gesamtmasse bestimmt werden und bei etwa der Hälfte der regulären Steuer liegen. Und hier kommt ein gewaltiges Problem auf Deutschland zu: Der Fiskus konnte sich über zuletzt neun Milliarden Euro Kfz-Steuer und weitere 40 Milliarden Kraftstoffsteuer freuen. Wenn diese durch die Elektromobilität auf die Hälfte einbrechen würden (vorsichtig geschätzt), dann klafft eine riesige Lücke von mindestens 25 Milliarden, welche nicht nur den E-Infrastruktur-Ausbau bedroht, sondern die automobile Infrastruktur als solche.
Wegschauen nützt da nichts, die Bundesregierung wird sich also definitiv neue Steuern ausdenken müssen. Das könnte beispielsweise eine Art regelmäßige Batterieabgabe – gestaffelt nach der Kapazität sein. Und dass Ladestrom steuerbefreit ist, davon kann man sich spätestens dann verabschieden, wenn Elektroautos die Majorität darstellen (oder wenn ein Zulassungsverbot für Verbrenner kommt).

4. Bezahlsysteme und mehr
Schon eingangs wurde erwähnt, dass das klassische Tankstellenmodell beim E-Auto schlicht nicht wirklich funktioniert. Zu diesem Ergebnis kam auch der Verband der Elektrotechnik im Rahmen einer Studie, die auf der IAA publiziert wurde. Die Kurzfassung: Käufer warten mit dem E-Auto-Kauf, bis die Ladeinfastruktur besser ist, Infrastruktur-Investoren halten sich jedoch bedeckt, weil es so wenige E-Autos und dementsprechend geringe Gewinnmargen gibt und weil die Kosten für Transaktionen bei Bezahlsystemen durch den geringen Gesamtpreis einer Ladung prozentual so schwer wiegen.
Dabei existiert ein ziemlich passender Lösungsweg schon seit langer Zeit und zwar (in abgewandelter Form) beim Payback-System. Bisherige Lade-Prepaid-Systeme haben einen Nachteil: Sie laufen meist über Banken und unterscheiden sich damit nicht von jedem anderen beliebigen Kauf – ob jetzt zehn Euro für die Ladung oder zwölf für ein Abendessen spielt dabei keine Rolle.
Doch was wäre, wenn man die Sache auf eine viel größere Basis hievte? Ein einheitliches Bezahlsystem, das ausschließlich für das Aufladen von Elektrofahrzeugen existiert. Vielleicht von einem Zusammenschluss aller großen Franchise-Anbieter gegründet – denn was Shell jetzt beginnt, den Aufbau von Ladesäulen an normalen Tankstellen, wird über kurz oder lang auch die anderen „Großen“ erfassen müssen, wenn sie überleben wollen. So könnte es aussehen:
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Jeder Kunde bekommt eine Karte
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Er zahlt als Prepaid-Aufladung einen mindestens dreistelligen Betrag ein
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Das bietet die finanzielle Sicherheit, um das Ladestationen-Netz auszubauen
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Von dieser Prepaid-Summe werden nun bei jedem Ladevorgang die Kosten abgebucht
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Es entstehen keine Transaktionskosten für Banken, sondern wäre ein direktes Geschäft zwischen Fahrer und Ladestation
Das Einzige, was dazu benötigt würde, wäre ein Gipfel der Ladesäulen-Anbieter. Das Einrichten eines modernen Bezahlsystems ist dabei noch die kleinste Hürde. Nebenbei würde dadurch auch das bisherige Klein-Klein der sich um geringste Cent-Beträge unterscheidenden Kraftstoffpreise unterschiedlicher Hersteller dadurch wegfallen – ein weiteres Plus für den Verbraucher.
Fazit: Neue Mobilitätswelt – alte Zahlungsweisen?
Die Umwandlung einer Verbrenner-betriebenen Mobilitätswelt hin zu einer elektrischen ist die größte Wandlung des Automobils seit über hundert Jahren. Es wäre geradezu sträflich, diese einzigartige Gelegenheit nicht zu nutzen, um auch das Finanzielle im Autobereich neu zu sortieren. Denn gerade jetzt liegen noch alle Karten auf dem Tisch und die Gelegenheit ist günstig – doch es wird nicht mehr lange so bleiben.