Noch nie hat der Elektroautopionier Tesla so viel Gegenwind erhalten wie im letzten Halbjahr. Nun geht Elon Musk in die Offensive und richtet die Firmenstrategie neu aus.
Dieses Jahr reihte sich für den US-Elektroautobauer Tesla eine schlechte Nachricht an die nächste: Angefangen mit dem ersten tödlichen Unfall eines vollautonomen Tesla-Autos im Mai, gefolgt von den schweren Vorwürfen, der Firmenchef Elon Musk könnte diese Information seinen Aktionären zu lange vorenthalten haben, um den Aktienverkauf nicht zu gefährden, und nun der Verdacht der Vetternwirtschaft bei der geplanten Übernahme des Solarherstellers SolarCity.
Kein Wunder, dass Elon Musk nun in die Offensive geht. Mit der effektvoll inszenierten Enthüllung eines „streng geheimen Masterplans“, in dem er die langfristigen und ambitionierten Ziele von Tesla offenbarte, ist es ihm 2006 schon einmal geglückt, die Stimmung zu seinen Gunsten zu kippen. Damals gelang es ihm, einen regelrechten Tesla-Hype auszulösen und große Investoren anzulocken. Schwarze Zahlen schreibt das kalifornische Unternehmen seitdem immer noch nicht. Ob der von Musk so genannte „Masterplan 2“ ein ähnlicher Erlösungsschlag für das Unternehmen wird, ist fraglich.
Tesla weitet die Produktpalette radikal aus
Die wichtigste Nachricht: Tesla will seine Fahrzeugflotte deutlich erweitern. Neben dem bereits angekündigten preisgünstigen Tesla-Auto, das nächstes Jahr auf den Markt kommen soll, hat Elon Musk nun auch den Bau von Kleinbussen und Lastwagen angekündigt. Außerdem soll ein kompakter Geländewagen das Angebot ergänzen. Schon 2017 könnten erste Modelle präsentiert werden.
Auch sonst will sich Tesla viel breiter aufstellen: In Zukunft sollen alle Bereiche der Elektromobilität mit Tesla-Produkten besetzt werden. Neben den speicherfähigen Batterien für den Haushaltsbedarf, die bereits von Tesla vertrieben werden, sollen weitere Produkte für Endverbraucher dazukommen, um den „Stromkreis“ zu schließen: von der Energiegewinnung mit Solaranlagen über die Speicherung bis zur Nutzung in der E-Mobilität.
Doch auch in Sachen Mobilität will Tesla neue Bereiche erobern. So kündigte Musk an, man könne sein Tesla-Auto bald ganz einfach per Kreditkarte an andere verleihen – eine klare Kampfansage an Dienste wie Uber. In großen Städten wolle man zudem gezielt mit eigenen Carsharing-Flotten aktiv werden.
Vom Vorreiter zum All-In-One-Anbieter
Mit seinem Masterplan 2 vollzieht Elon Musk die strategische Neuausrichtung der Firma Tesla vom mutigen Pionier zum breit aufgestellten Generalisten. Still und heimlich hat sich vor einigen Monaten bereits das Mission Statement auf der Webseite verändert. War hier früher zu lesen, Teslas Mission sei die „Beschleunigung des Ãœbergangs zu einer nachhaltigen Mobilität“ , ist nun von „nachhaltiger Energiegewinnung“ die Rede. Tesla will mehr sein, als ein Autohersteller. Im aktuellen Firmenprofil heißt es, Tesla sei „ein Technologie- und Designkonzern, der sich innovativen Energielösungen verschrieben hat.“
Zusammen mit dem Fokus auf Elektromobilität gibt Tesla jedoch auch die Pionierrolle auf. Keines der im neuen Masterplan anvisierten Felder ist Neuland, überall tummelt sich bereits harte Konkurrenz. Im Bereich der E-Lastwagen, beim vollautonomen Fahren und erst recht beim Carsharing ist das Feld zunehmend schon von den traditionellen Autokonzernen besetzt, die langsam aber sicher nachziehen. Denn während diese von Anfang an auf breiter Front agieren konnten, muss Tesla sich das Know-how für die neue Rolle als Energie- und Mobilitäts-Multi erst einmal zusammenkaufen.
Deutschlands Autobauer holen auf
Auch in Deutschland ist derweil die Zeit nicht stehen geblieben. Mit Audi, BMW und Daimler über VW bis Opel investieren alle großen Autokonzerne kräftig in E-Mobilität. Kein anderer Bereich der Branche verzeichnet derzeit so großen Zuwachs, im Stellenmarkt für Ingenieure und technische Berufe nimmt das Thema E-Mobilität einer der wichtigsten Plätze ein. Kein Wunder, denn die Autobauer arbeiten fieberhaft an ihren Konkurrenzmodellen: Bis 2020 sollen zahlreiche E-Autos auf den Markt drängen und Tesla den Vorsprung abfahren (hier eine Bildergalerie mit den geplanten Modellen).
Audi will 2020 gleich mit drei Modellen an den Start gehen und bis 2025 einen Viertel seines Gesamtabsatzes mit den Stromern machen. Der Volkswagen-Konzern verfolgt eine ähnliche Zielsetzung. Auch Daimler soll vor 2020 mit einem Modell an den Start kommen, das die 500 Kilometer Reichweite knackt. Gerüchten zufolge plant Mercedes bereits eine ganze Familie von Elektroautos. Beim großen Rennen um die Elektromobilität sind die traditionellen Autokonzerne kurz davor, den Ausreißer Tesla einzuholen. Dieser, so scheint es, muss sich erst einmal konsolidieren und in die Gewinnzone kommen.
Um sich 2020 nicht plötzlich im Mittelfeld wiederzufinden, muss Elon Musk allerdings eine größere Vision für sein Unternehmen vorlegen, als bloße Stabilisierung. Auf seinen „Masterplan, Teil 3“ darf man jetzt schon gespannt sein.